Viel Lärm um den Lärm – Bundesrat für die Stadt der kurzen Wege
Boris Pistorius: Spielendes Kind auf Sportplatz und Spielplatz anpassen
In den Fachausschüssen des Bundesrates kontrovers diskutiert wurden die Baurechtsnovelle der Bundesregierung und die damit einhergehende Änderung der Technischen Anleitung Lärm. Vor dem Hintergrund des dringend benötigten Wohnraums in den Städten plant die Bundesregierung die Einführung einer neuen Baugebietskategorie, das „urbane Gebiet“.
Im „urbanen Gebiet“ sollen Wohnen, Gewerbe sowie soziale und kulturelle Nutzung besser als bisher gekoppelt werden. Den Kommunen würde ermöglicht, auch in stark verdichteten städtischen Gebieten oder Gewerbegebieten Wohnungen zu bauen oder bestehende Gebäude als Wohnraum zu nutzen. Dieser Ansatz ermöglicht eine Stadt der kurzen Wege und folgt der Charta von Leipzig, so Bundesbauministerin Barbara Hendricks im jüngsten Plenum des Bundesrates.
Die Einführung dieser neuen Gebietskategorie wird grundsätzlich begrüßt, so passierte auch das entsprechende Gesetz das Bundesratsplenum. Das Gesetz regelt weiter die Bedingungen für Zweit- und Ferienwohnungen insbesondere in touristisch geprägten Regionen neu und enthält Verbesserungen bei der Öffentlichkeitsbeteiligung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Darüber hinaus passt das Gesetz diverse Bestimmungen des Baugesetzbuches an die EU-Richtlinie Städtebaurecht und zur Stärkung des „neuen Zusammenlebens in der Stadt“ an.
Die mit dem „urbanen Gebiet“ vorgesehene Anhebung der Lärmbelastung, geregelt in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm), wird hingegen differenziert betrachtet.
Die Stadtplaner auf der einen Seite sehen die vorgesehenen höheren Immissionswerte von maximal 63 Dezibel am Tag und 48 Dezibel in der Nacht als eine mit der gewollten Verdichtung einhergehende Notwendigkeit an, die Gesundheits- und Immissionsschützer auf der anderen Seite lehnen die steigende Lärmschutzbelastung für die Anwohnerinnen und Anwohner in den Städten ab.
Die Bundesländer haben im Plenum am vergangenen Freitag folgendes beschlossen: die gewerblichen Lärmimmissionswerte dürfen am Tag um drei dB (A) höher sein und damit wie vorgesehen bei 63 dB liegen. In der Nacht sollen dagegen im urbanen Gebiet die Werte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete gelten, die bei 45 dB liegen.
Die Nachtruhe bleibt demnach geschützt und die urbanen Gebiete haben hinreichende Entwicklungsmöglichkeiten.
Boris Pistorius: Interessen des Sports und von Anwohnern in Einklang bringen
Durch die Einführung der neuen Baurechtskategorie „Urbane Gebiete“ musste auch die Sportanlagenlärmschutzverordnung entsprechend angepasst werden.
Das Thema Sportanlagenlärmschutzverordnung ist aber eins, das den Sport und seine Verantwortlichen bereits seit vielen Jahren beschäftigt und das viel diskutiert worden ist – unabhängig von den „Urbanen Gebieten“.
Insbesondere in Großstädten und Ballungszentren gibt es vermehrt Streitigkeiten wegen „Sportlärm“, die zum Teil auch vor Gericht ausgetragen werden. Zu Auseinandersetzungen kommt es auch dort, wo alte Sportplätze in den letzten Jahren saniert und modernisiert wurden. Oftmals wurde statt Naturrasen oder Asche ein Kunstrasenplatz verlegt – gerade um die Spielstätten „wetterfest“ zu machen und damit die Zeiten des Spielbetriebs zu verlängern. Man hat damit die Sportstätten zukunftsfest gemacht, auch um dem Ansturm von Kindern und Jugendlichen – insbesondere im Fußball – gerecht zu werden. Nach der Modernisierung sahen sich die Vereine dann aber oft Klagen von Anwohnern ausgesetzt, die sich wegen des Lärms beschwerten.
Daher beinhaltet die angepasste Verordnung jetzt auch einen Altanlagenbonus, der bereits vor 1991 genehmigt oder zulässigerweise ohne Genehmigung errichtete Anlagen rechtlich besser absichert. Mit der angestrebten Konkretisierung wird in Zukunft gewährleistet, dass der Sportbetrieb auch bei Umbauten und Nutzungsänderungen und einer leichten Überschreitung der Lärmschutzwerte aufrechterhalten werden kann.
Niedersachsens Innen- und Sportminister Boris Pistorius sprach jetzt vor dem Bundesrat davon, dass die Interessen des organisierten Sports an der Nutzung seiner Sportanlagen und die Interessen der Anwohner besser in Einklang zu bringen seien.
Der Bundesrat fordert mit den Stimmen Niedersachsens, weitere Änderungen an der Verordnung vorzunehmen. So sollen in urbanen Gebieten tagsüber um drei dB (A) höhere Immissionsrichtwerte, nachts jedoch die gleichen Werte wie in den übrigen gemischten Baugebieten festgelegt werden.
Des Weiteren wird die Bundesregierung gebeten, in enger Abstimmung mit den Ländern vollziehbare Regelungen für eine Privilegierung von durch Kinder und Jugendliche verursachten Lärm bei der Nutzung von Sportanlagen zu erarbeiten und diese schnellstmöglich umzusetzen.
Auch hierzu hatte sich Pistorius in seiner Rede geäußert: „Nach aktuell geltender Rechtslage werden spielende Kinder auf Sportplätzen schlechter gestellt als spielende Kinder auf Spielplätzen. Das ist aus meiner Sicht völlig unverständlich und realitätsfern und bedarf in den nächsten Monaten ebenfalls einer Anpassung!“