Beiträge zum Thema:
Agrarpolitik und Verbraucherschutz

Zu weitreichende und zu unbestimmte Ausnahmen, unzureichende Regelungen. Kein Fortschritt für den Tierschutz. Eher ein Rückschritt. Das ist das Urteil des Niedersächsischen Landwirtschaftsministers Christian Meyer zum Gesetz zur Änderung futtermittelrechtlicher und tierschutzrechtlicher Vorschriften, das der Bundesrat aktuell beriet. Meyer forderte den Bundesrat auf, eine Entschließung anzunehmen, die fordert, Tierschutz konsequenter anzugehen.

Das Gesetz mit dem bemerkenswert nichtssagenden Titel packt drei Anliegen in einen Text:

  • Das im Zuge der BSE-Krise erlassene Verbot der Verfütterung tierischer Fette an Wiederkäuer wird aufgehoben. Dieser Punkt ist unstrittig.
  • Die Haltung von Pelztieren wird an sehr hohe gesetzliche Anforderungen gebunden. Das rechtlich verwinkelte Konstrukt des Bundestages sieht ein grundsätzliches Verbot der Pelztierhaltung mit Erlaubnisvorbehalt vor. Es gibt derzeit noch fünf aktive Nerzfarmen in Deutschland. Sie müssten jetzt nachweisen, dass sie die Anforderungen des neuen Gesetzes einhalten – aber erst in fünf Jahren.
  • Die Abgabe von trächtigen Nutztieren zum Zwecke der Schlachtung wird verboten. Unerklärlicherweise kommt es immer wieder zu üblen Überraschungen im Schlachthof: Den Männern, die dort eine Schlachtkuh aufschneiden, fällt ein ungeborenes Kälbchen vor die Füße, qualvoll erstickt, von dessen Existenz jedenfalls das Schlachthofpersonal bis dahin nichts wusste. Wie kann so etwas passieren? Kühe werden heutzutage künstlich besamt. Der Bauer, der den Besamungstechniker bestellt, bezahlt und in den Stall gelassen hat, müsste eigentlich wissen, dass eine Kuh tragend ist und wann sie abkalben wird.

Selbstverständlich unterstützt Niedersachsen die drei Anliegen dieses Gesetzes, insbesondere die Tierschutzanliegen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Pelztiere zu halten. Das einzige Wesen, das wirklich einen Nerz braucht, ist der Nerz selber. Es ist kaum möglich, Wildtiere artgerecht hinter Gittern zu halten. Und wenn eine trächtige Kuh geschlachtet wird, führt das zum qualvollen Ersticken des Fötus im Mutterleib. Schon aus ethischen Gründen ist die Schlachtung von Muttertieren nicht vertretbar. Ja, diese Tierschutzprobleme müssen angegangen werden!

Aber das Gesetz des Bundestages geht aus niedersächsischer Sicht nicht weit genug. Die dort formulierten Haltungsanforderungen sind nichts Neues. Sie sind identisch mit den geltenden Regeln, die de facto nicht eingehalten werden. Das Gesetz des Bundestages bedeutet letztlich eine weitere Verlängerung einer Pelztierhaltung, die selbst aus Sicht der Bundesregierung nicht tiergerecht ist. Niedersachsen fordert daher ein sofortiges Verbot der Pelztierhaltung, ohne jedes Wenn und Aber.

Auch das Verbot der Schlachtung trächtiger Tiere im Gesetz des Bundestages bleibt nach niedersächsischer Auffassung auf halber Strecke stehen. Denn es bezieht sich nur auf Rinder, Schweine und Pferde. Schafe und Ziegen hingegen werden ausgenommen. Für diese Ausnahme aber gibt es keinen vernünftigen Grund. Die in Deutschland üblichen Schaf- und Ziegenrassen haben überwiegend eine saisonale Brunst, der Ablammzeitraum ist also bekannt. Zudem fehlt es nicht an Möglichkeiten, auch bei kleinen Wiederkäuern eine Trächtigkeit festzustellen. Schon heute gibt es in Niedersachsen und anderen Bundesländern Selbstverpflichtungen der Landwirtschaft, die über das jetzt vom Bundestag beschlossene Gesetz hinausgehen. Minister Christian Meyer forderte deshalb im Bundesrat ein uneingeschränktes Schlachtverbot hochträchtiger Nutztiere. Schafe und Ziegen dürfen hiervon nicht ausgenommen werden!

Bundesrat sieht „Offline tracking“ nur unzureichend geregelt

Privatsphäre versus elektronische Kommunikation

Darf Google wissen, wo ich heute war? Auf welchen Internetseiten? An welchen Orten? Wen ich angerufen habe? Wie ich „ticke“? Und soll Google dieses Wissen verkaufen dürfen, an Leute, die mir das Geld aus der Tasche ziehen oder mich manipulieren wollen? Die Technik in unserem Leben hinterlässt Spuren, die sich zu Persönlichkeitsprofilen zusammensetzen lassen. Das Smartphone in unserer Tasche sendet permanent Signale, die gepeilt werden können, um zu verfolgen, welche Geschäfte wir betreten, welche Auslagen wir anschauen (sog. „Offline tracking“). Was wir uns im persönlichen Umgang als „Stalking“ schwer verbitten würden, ist für digitale Dienste ein Geschäftsmodell. Datenschutzbestimmungen versuchen uns vor solchen Übergriffen zu schützen, aber sie müssen immer wieder überarbeitet und erweitert werden, weil die technische Entwicklung immer neue Möglichkeiten der Datensammlung und Ausspähung schafft.

Der Bundesrat hat sich in seiner aktuellen Sitzung mit dem neuen Vorschlag der Europäischen Kommission befasst, die geltende e-Privacy-Richtlinie durch eine Verordnung zu ersetzen, die europaweit einheitliche Standards für den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation setzen soll. Die Erweiterung der geltenden Schutzbestimmungen ist nötig, um künftig auch internetbasierte „over-the-Top“-Kommunikationsdienste wie GMX, WhatsApp, Facebook oder Skype zu erfassen. Die Europäische Kommission schlägt vor, die Vertraulichkeit der Inhalte und der Metadaten einer elektronischen Kommunikation weiter wie bisher zu schützen. Wenn Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste solche Daten verarbeiten wollen, um zusätzliche Dienste anzubieten, muss eine Einwilligung der Nutzer vorliegen. Softwareanbieter werden verpflichtet dafür zu sorgen, dass der Nutzer die Speicherung oder Verarbeitung von Daten verhindern kann. Die Nutzer müssen auf diese Datenschutzeinstellungen hingewiesen werden. Alle Formen der Direktwerbung sollen grundsätzlich nur nach vorheriger Einwilligung des Nutzers zulässig sein.

Der Bundesrat begrüßt das Ziel des Vorschlags, ein hohes Niveau des Schutzes der Privatsphäre für die Nutzerinnen und Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste zu gewährleisten. Der Bundesrat unterstützt die Vielzahl verbraucherfreundlicher Ansätze. Er kritisiert aber, dass das Offline-Tracking von Kundinnen und Kunden in Bahnhöfen, Flughäfen und Geschäften nur unzureichend in dem Verordnungsvorschlag geregelt ist.

Es reiche nicht aus, Verbraucherinnen und Verbraucher mit Schildern auf solches Tracking hinzuweisen. Vielmehr sei eine explizite vorherige Einwilligung der Betroffenen erforderlich. Der Bundesrat ist zudem der Auffassung, dass der Zugriff auf die Inhalte von E-Mails, SMS und anderen Formen der elektronischen Kommunikation nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein darf. Auch hierfür sei eine ausdrückliche und freiwillige Einwilligung der Betroffenen erforderlich, die ihm nicht durch Softwarevoreinstellungen oder Vertragsbedingungen abgerungen werden darf. Einwilligungen sollten auch jederzeit widerrufen werden können. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass für Anbieter von Hardware und Software, die für Kommunikation verwendet wird, die Verpflichtung des „Privacy-by-Design und –Default“ gelten sollten. Also: maximaler Datenschutz von vornherein schon durch das Produktdesign und die Voreinstellungen.

Schweineflüsterer Kees Scheepens: Gucken. Denken.Tun

Parlamentarischer Abend der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands


Ist mein Schwein glücklich? Das erkennt man am Ringelschwanz. Ist der Ringel im Schwanz, fühlt das Schwein sich wohl. Hängt der Schwanz schlapp nach unten oder wird zwischen die Beine geklemmt, deutet das auf Probleme. Was Schweine zum Thema „Tierwohl“ melden, erklärte Schweineflüsterer Dr. Kees Scheepens am 31. Mai den Gästen des Parlamentarischen Abends der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.

Nicht der „Tierschutz mit dem Zollstock“, wie ihn die Tierschutznutztierhaltungsverordnung normiert, ist der Weg zu mehr Tierwohl, sondern: Gucken. Denken. Tun. Vor allem anderen: erst einmal genau hinsehen. Nicht betriebsblind durch den Stall laufen. Die Körpersprache der Tiere lesen lernen. Das war die Kernbotschaft, die Dr. Scheepens versuchte, an diesem Abend an den Mann (bzw. an den Landwirt) zu bringen. „Das Auge des Herrn macht das Vieh fett“ – eine alte Weisheit, die bei immer größeren Beständen, weniger Zeit pro Tier, zunehmender Robotik und Datenerfassung im Stall, aus dem Blick zu geraten droht.

Und: Schweine weinen, wenn es ihnen nicht gutgeht. Auch das lässt sich durch Beobachten feststellen, denn die „Blutstränen“ hinterlassen braune Spuren unter den Augen. Schweine sind, nach Schimpansen, Delfinen und Krähen, die viert-intelligentesten Tiere überhaupt, und damit die intelligentesten Nutztiere in unseren Ställen. Sie wollen beschäftigt sein, wollen wühlen, wollen Futter suchen. Der Schweineschwanz, so Dr. Scheepens, ist der Tierwohlindikator Nummer 1. Schwanzbeißen ist ein untrügliches Anzeichen für Probleme im Stall, der intakte Ringelschwanz hingegen ein pragmatischer, leicht feststellbarer Indikator für Schweine, die sich wohlfühlen.

Erst gucken. Dann denken. Dann erst tun. Das kostet bis zu 50% mehr Zeit pro Tier, als der durchschnittliche Landwirt aufwendet. Landwirte, die meist ohnehin schon weit über 60 Stunden die Woche arbeiten, könnten diesen zusätzlichen Aufwand nur stemmen, wenn sie weniger Tiere halten, weniger verkaufen, weniger Geld verdienen. Oder aber – und nur das kann der faire Weg zu mehr Tierwohl sein: höhere Preise für ihre Schweine bekommen. Das heißt aber, dass wir Verbraucher nicht nur über Tierwohl reden und mehr Tierwohl fordern, sondern dass wir bereit sind, den Preis dafür zu zahlen: an der Supermarktkasse, für Fleisch aus tiergerechter Haltung. Wer beim Fleisch zum Billigangebot greift, hat kein Recht, über Tierhaltung zu klagen.

Hut ab: Bemerkenswert ist, dass die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands ISN – und damit die eher größeren und wettbewerbsstarken Schweinehalter – sich diesen faszinierenden Referenten eingeladen hatte. Das zeigt, dass sich diese Gruppe nicht in ideologischen Gräben verschanzt, sondern bereit ist, sich den Fragen der Gesellschaft zu stellen, zu schauen, zu denken. Und dann auch zu tun, wenn sich das rechnet und die Familie ernährt.

Mit Recht erinnerte Heinrich Dierkes, Vorsitzender der ISN, in seiner Begrüßung die Gäste daran, dass viel mehr Bauern sehr gerne bei der „Initiative Tierwohl“ einsteigen würden, der Einzelhandel dafür aber nicht genug Geld zur Verfügung stellt. Und noch ein weiteres Anliegen hatte Dierkes an Bürger und Politik: Es gibt Organisationen, deren Geschäftsmodell das Spendensammeln mit Hilfe von manipulativen Bildern im Internet ist. Bilder, die bei Einbrüchen in Ställe widerrechtlich gedreht wurden. Mit Texten, die Missstände und Rechtsverstöße behaupten, wo dann aber die Nachforschung ergibt, dass diese Behauptungen haltlos sind.

Landwirte, die sich nachweislich korrekt verhalten, werden mit ihren Familien namentlich im Internet genannt und verleumdet. Gerichtliches Vorgehen dagegen bleibt wirkungslos, weil die Server im Ausland stehen und deren Betreiber sich weigern, die Einträge zu löschen. Das ist Mobbing. Dagegen sollten wir gemeinsam solidarisch Front machen.

Fotos: Timo Poschadel

Tabakerzeugnis-Verordnung: viel Dampf um nichts?

Die E-Zigarette hat eine Zukunft mit Menthol

Rauchen ist gesundheitsschädlich, keine Frage. Hinterfragt wird aber, ob dies den Staat veranlassen sollte, gegen das Rauchen vorzugehen. Kinder und Jugendliche schützen, das wird noch verstanden. Aber mündige Erwachsene sollten doch wissen, was sie tun? Die Zigarettenindustrie stellt klar: „You decide!“

Die Europäische Kommission und der deutsche Gesetzgeber hingegen versuchen, den Rauchern das Rauchen so richtig zu verekeln, mit Warnhinweisen und Schockbildern auf den Packungen. Jetzt wurde nachgelegt. Der Bundesrat beriet die Zweite Verordnung zur Änderung der Tabakerzeugnisverordnung. Antragslage und Stimmverhalten zeigten, dass das Rauchen die Gemüter erhitzt: Den einen geht die Gesundheit vor, den anderen die Arbeitsplätze in der Tabakwirtschaft.

Der Schuss mit den Schockbildern könnte übrigens nach hinten losgehen: Bereits vier nicht(!)rauchende Kolleginnen und Kollegen beklagten sich bei mir ungefragt, dass sie es als Zumutung empfinden, beim Warten an der Supermarktkasse auf Teerlungen und Raucherbeine blicken zu müssen. Diese Art des Moralisierens mit erhobenem Zeigefinger sei keine gute Werbung für die Europäische Union… Es wird allerdings kaum altruistische Rücksichtnahme sein, die einige Einzelhändler jetzt veranlasst hat, die Schockbilder hinter sog. „Produktkarten“ zu verstecken. Die werden im Regal vor die Packungen gesteckt, so dass einen jetzt doch wieder die vertrauten Logos anlachen. Das Gesetz verlangt zwar, dass die Schockbilder beim „Inverkehrbringen“ sichtbar sind. Aber dies „Inverkehrbringen“, argumentiert die Tabakwirtschaft, beginne nicht schon im Regal, sondern erst, wenn die Ware über den Tresen gereicht wird. Augenzwinkernde Schutzbehauptung, oder, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium meint, klarer Rechtsbruch? Ein Bundesland beantragte auf Ausschussebene, in der Verordnung unmissverständlich klarzustellen, dass das „Inverkehrbringen“ das „Anbieten zum Verkauf“ mit einschließt. Der Bundesrat hat diese Textänderung beschlossen, Niedersachsen hat sich zu dieser Frage enthalten.

Rauchen ist gesundheitsschädlich. Aber muss das „Dampfen“ von E-Zigaretten deshalb mit gleicher Verve verfolgt werden? Die Hersteller von E-Zigaretten argumentieren, dass der Dampf ihrer Produkte nicht den „Teer“ enthält, der das Tabakrauchen so gesundheitsschädlich macht. Sie gehen sogar so weit, E-Zigaretten als Tabakersatz zum Ausstieg aus dem Rauchen anzupreisen. (Nikotin ist zwar auch drin, macht aber bloß (?) süchtig.)

Der jetzt im Bundesrat diskutierte Verordnungsvorschlag legt dennoch fest, dass in E-Zigaretten keine Stoffe enthalten sein dürfen, die den Eindruck erwecken, das „Dampfen“ sei gut für die Gesundheit oder Vitalität. Ebenso verboten sind Stoffe, die das Inhalieren erleichtern sollen. Die Bundesregierung wollte deshalb den Zusatz von Menthol in den Liquids verbieten. Zwei Bundesländer widersprachen. Denn, so argumentierten sie: in E-Zigaretten diene Menthol gar nicht zur Erleichterung des Inhalierens, sondern allein zur Aromatisierung. Und die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und gesundheitlichen Bewertungen reichten nicht aus für ein generelles Mentholverbot.

Der Bundesrat –inklusive Niedersachsen- haben sich dieser Auffassung angeschlossen, also dafür gesorgt, dass Menthol weiterhin in E-Zigaretten eingesetzt werden kann.

Europäische Kommission will territoriale Typologien

Ist der Landstrich eher städtisch oder eher ländlich strukturiert?

Revolutionen sollte man vorbereiten, ohne den Gegner zu wecken – das gilt auch für „Revolutionen von oben“. Eine Möglichkeit ist, Vorbereitungen hinter Fachchinesisch, Beamtendeutsch und Begriffen zu verstecken, die beim Leser Gähnen erzeugen und zum Weiterblättern verleiten. „Territoriale Typologien“ ist Beamtendeutsch, „Statistik“ kling auch nicht ermutigend. Dabei sind Statistiken hoch gefährlich. Falsch verstanden oder falsch interpretiert liefern sie Scheinargumente und „alternative Fakten“ für die abwegigsten Behauptungen.

Schlimmer noch: Statistiken, richtig angewandt, liefern Fakten, die Glaubenssätze und Weltanschauungen erschüttern können. Und dann richtig wehtun. Zum Beispiel könnten Fakten zur Prosperität ländlicher Räume empirisch das Paradigma widerlegen, dass der ländliche Raum in Deutschland grundsätzlich der staatlichen Förderung bedarf. Vor solchen Fakten müssen sich alle fürchten, die fördern oder gefördert werden wollen.

Die Europäische Kommission hat kürzlich einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, mit dem sog. „territoriale Typologien“ in die bestehende NUTS-Klassifikation der EU integriert werden sollen. Die NUTS-Klassifikation teilt das Hoheitsgebiet aller europäischer Staaten in Verwaltungseinheiten, in Deutschland also: Bundesländer, Regierungsbezirke, Kreise, Gemeinden.

Mit den „territorialen Typologien“ sollen nun zusätzlich Landstriche danach klassifiziert werden, ob sie eher städtisch oder ländlich strukturiert sind, einer Metropole zuzuordnen sind, an der Küste liegen und dünn oder dicht besiedelt sind. Die Kommission beruhigt: diese neue Klassifikation soll nur statistischen Zwecken dienen. Aber ist das wirklich beruhigend? „Statistik“ heißt doch: man will Daten sammeln, zum Beispiel zu den Lebensverhältnissen, um Argumente zu munitionieren. Klar ist: mit dem Brexit – dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU – wird Geld im EU-Haushalt fehlen, und damit auch Geld in den Strukturfonds, aus denen Regionen gefördert werden. Der für den EU-Haushalt zuständige Kommissar Oettinger hat bei einem Besuch im EU-Ausschuss des Bundesrates bereits angekündigt, dass dies bedeutet, dass die Strukturfondsmittel stärker als bislang auf die wirklich bedürftigen Regionen konzentriert werden müssen. Diese wirklich bedürftigen Regionen dürften aber, im europäischen Vergleich, eher in Rumänien als in Südoldenburg zu finden sein.

„Nachtigall, ick hör dir trapsen!“ Der Bundesrat hat die – absehbaren – Konsequenzen des Kommissions-Vorschlags bedacht und vorbeugend Stellung genommen. Territoriale Typologien, so heißt es in der Stellungnahme, „werden nicht nur für statistische Zwecke genutzt, sondern dienen üblicherweise auch als analytisches Werkzeug der Raumentwicklung und können so schnell politik- und förderrelevant sein.“

Sie müssten deshalb mit den Mitgliedstaaten und den Regionen abgestimmt werden. Es sei „nicht absehbar, wie sich eine inhaltliche Veränderung der Gebietskategorien beispielsweise auf die Fördermittelallokation und deren Distribution auswirken würde.“ Es sei zu befürchten, dass territoriale Differenzierungen … zu einer kleinräumigen Förderpolitik und einer Einschränkung der Flexibilität führen könnten.

Novellierung des Düngerechts wichtigen Schritt weiter

Länder warten auf Verordnung zur Stoffstrombilanz

Zitterpartie! Lang genug hatte es gedauert – geschlagene vier Jahre – nachdrücklich musste Brüssel drohen, bis sich die Bundesregierung durchringen konnte, das Düngerecht zu novellieren. Zwei sehr maßgebliche niedersächsische Abgeordnete, MdB Dr. Wilhelm Priesmeier und MdB Franz- Josef Holzenkamp, rangen im Deutschen Bundestag um die Details. Zusammen mit Wortführern der SPD-, CDU- und Grün-geführten Agrarressorts der Bundesländer wurde dann ein Kompromiss geschmiedet. Für niemanden ein Wunschergebnis, aber für alle ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Bundesrat konnte jetzt diesem bis zuletzt bis ins Detail diskutierten und abgestimmten Kompromiss zustimmen und damit ein langes Ringen erfolgreich abschließen.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel im Bundesrat: „Sie alle kennen den neuen Nitratbericht der Bundesregierung, der für Deutschland an 28 % der Messstellen im Teilmessnetz Landwirtschaft Grenzwertüberschreitungen von mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter feststellt, in meinem Land Niedersachsen sogar 38 %. Was muss geschehen? Wir brauchen eine bessere Steuerung und Überwachung der Nährstoffströme, um unsere Gewässer vom Grundwasser bis zu den Meeren wirkungsvoll vor Nährstoffeinträgen zu schützen. Mit dem nun vorliegenden Kompromiss haben sich Bund und Länder … auf einen Kompromiss geeinigt, der den Landwirten weiterhin ein ökonomisch tragfähiges Wirtschaften erlaubt. Für die Landwirte wird … auch künftig eine pflanzenbedarfsgerechte Düngung möglich sein. Landwirte sind allerdings in Zukunft stärker gefordert, Stickstoff effizienter einzusetzen und Nitrat- und Ammoniakverluste zu minimieren. Überdüngung kann nicht toleriert werden!“

An der bis zum Schluss schwierigen Geburt der neuen Düngeverordnung war Niedersachsen – auf den ersten Blick – nicht ganz unschuldig. An dem zwischen den Politikern schon im Januar abgesprochenen Kompromiss sollte eigentlich nicht gerührt werden, um den Erfolg nicht zu gefährden. Im zuständigen Ausschuss des Bundesrates sollten Anträge eigentlich nicht gestellt werden. Oder allenfalls redaktioneller Art sein. Und dennoch fanden wir uns am Ende der Ausschusssitzung mit rund 20 Änderungsbefehlen, auch substantieller Art, wieder. Auch aus Niedersachsen.

Damit der erste Blick nicht täuscht, muss man das erklären. Wir mussten uns dagegen wehren, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium nachträglich den Kompromiss so verändert hatte, dass künftig mehr Gülle ausgebracht werden dürfte als nach geltendem Recht. Das war so nicht gewollt. Zum anderen mussten wir auf eine rechtssichere Abgrenzung der „roten Gebiete“ achten, also derjenigen belasteten Gebiete, in denen die Bundesländer zusätzliche Maßnahmen erlassen können. Minister Wenzel dazu im Bundesrat: „Mit den Formulierungen im vorgelegten Regierungsentwurf war das nicht gewährleistet und hätte nach Einschätzung der Juristen eine umfangreiche Klagewelle ausgelöst. Ich bin froh, dass sich Bund und Länder in den Verhandlungen auf einen Kompromiss einigen konnten.“ Zwei Plenaranträge, die gemeinsam von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg, also grün, rot und schwarz geführten Agrarressorts eingebracht wurden, konnten die Kuh vom Eis holen.

Der Prozess der Novellierung des Düngerechts ist damit einen wichtigen Schritt weiter, aber noch nicht abgeschlossen. Es fehlt noch eine Verordnung, die eine Stoffstrombilanz regelt, die im neuen Düngegesetz erstmalig vorgesehen wird. Der Entwurf dazu wird derzeit im Bundeslandwirtschaftsministerium erarbeitet und soll sehr bald vorgelegt werden. Und, so Minister Wenzel im Bundesrat: „Ob die novellierte Düngeverordnung letztlich den Anforderungen der Europäischen Kommission genügt und zur Einstellung des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens führt, bleibt abzuwarten.“ In jedem Fall seien in den Ländern weitere Maßnahmen erforderlich, um das Problem der hohen Grundwasserbelastungen in den Griff zu bekommen. „Unser Trinkwasser hängt zu 85 % von den Grundwasserreserven ab. Wenn Wasserversorger aufwendig reinigen und verschneiden müssen, könnten die Gebühren für sauberes Wasser massiv ansteigen.“

Die Landwirtschaft in Niedersachsen ist der Hauptverursacher von Nitratbelastungen im Grundwasser: 38 % aller Messstellen im neuen Nitratmessnetz Niedersachsen überschreiten den zulässigen Nitrat-Schwellenwert von 50mg/L – vor allem in den viehstarken Regionen Nordwestniedersachsens. Laut Bundesumweltamt beträgt der Stickstoffüberschuss in der Gesamtbilanz Deutschlands 98 kg N/ha.

Stickstoff führt zu Eutrophierung und Versauerung von Gewässern und Böden, zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon, es schädigt die menschliche Gesundheit. Nitrat in Trinkwasser und Nahrungsmitteln steht im Verdacht, Krebs zu verursachen, Lachgas – auch eine Stickstoffverbindung – trägt zum Klimawandel bei. Seit Einführung des Haber-Bosch-Verfahrens zur Erzeugung künstlicher Stickstoffdünger hat sich die Freisetzung reaktiver Stickstoffverbindungen weltweit verzehnfacht. Zwei Drittel davon stammen aus der Landwirtschaft. „Die zu hohen Einträge von Stickstoffverbindungen sind eines der großen ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit“ schreibt der Umweltrat in seinem Sondergutachten.

Niedersachsen liegt bei diesen Stickstoffeinträgen weit über dem Bundesdurchschnitt, und das ist vor allem auf die Tierhaltung im Nordwesten des Landes zurückzuführen. Weil dort im Grundwasser Nitratwerte gemessen werden, die weit oberhalb des in Europa erlaubten liegen, hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.

Christian Meyer froh über Zustimmung zum Düngegesetz

Stickstoffbelastung größtes Umweltproblem der Gegenwart

„Es geht um die Lebensgrundlage Wasser!“ so Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer am vergangenen Freitag im Bundesrat. Er sei sehr froh, dass der Bundesrat nun endlich einstimmig einem Gesetz zustimmen könne, das einen Beitrag zur Lösung eines der größten Umweltprobleme der Gegenwart, der Stickstoffbelastung, leisten wird.

Ein Großteil davon stamme aus der Landwirtschaft. Der aktuelle Nitratbericht der Bundesregierung zeige, dass 50% der Messstellen erhöhte Nitratwerte aufweisen, in 28% der Fälle würden die Grenzwerte überschritten, in Niedersachsen sei die Situation sogar noch gravierender. Allein in Niedersachsen würden derzeit rund 39 Millionen Tonnen an Gülle, Gärresten und Trockenkot durch die Gegend gefahren, ohne dass man in allen Fällen sicher wisse, wohin. Diese Menge ergebe eine Kette aus Güllewagen, die einmal um den Äquator reicht. Angesichts der Verzögerung der Anpassung des Düngerechts habe die Europäische Kommission inzwischen sogar schon Klage eingereicht. Deutschland drohen also erhebliche Strafzahlungen, die der Steuerzahler zu tragen hätte.

Landwirtschaftsminister Meyer konnte in den Koordinierungsrunden zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesländern die folgenden, aus niedersächsischer Sicht wichtigen Punkte durchsetzen:

  • Es werden alle Düngestoffe erfasst, also auch Gärreste aus Biogasanlagen;
  • Um den risikoträchtigen Betrieben auf die Spur zu kommen, können Daten genutzt werden, die bei den Behörden schon vorliegen. Den Landwirten bleibt also zusätzliche Bürokratie erspart;
  • Es wird eine Stoffstrombilanz eingeführt, die sicherstellen kann, dass nur so viel gedüngt wird, wie die Pflanzen auch verwerten können;
  • Der Bußgeldrahmen wird erhöht:
  • Eine Gütesicherung für Wirtschaftsdünger wird eingeführt, damit der Abnehmer sicher sein kann, was er bekommt.

Landwirtschaftsminister Meyer wies auf die Schritte hin, die jetzt noch gegangen werden müssen, bis das neue Düngerecht komplett ist: Die Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen wird in der nächsten Plenarsitzung des Bundesrates (31. März) beraten werden. Es fehlt zudem noch ein verbindliches Konzept für die Stoffstrombilanz. Dies sollte, so appellierte Meyer, noch vor dem Sommer fertig sein.

Kompromiss bei Direktzahlungsmitteln

Christian Meyer: Mittel stärker an gesellschaftlichen Zielen ausrichten

„Ein Zeichen setzen, dass wir an der Seite der tierhaltenden Betriebe stehen“, solle der Bundesrat. Das forderte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer jetzt in der Länderkammer. Die derzeitige Einkommenssituation vieler landwirtschaftlicher Betriebe sei unbefriedigend, vor allem derjenigen, die Milch, Fleisch oder Eier produzieren. Diese Betriebe bräuchten zusätzliche Hilfen, würden aber durch die aktuelle Zuteilung der Direktzahlungen benachteiligt, weil diese Zahlungen an die Fläche gebunden sind. Es sei mittlerweile aber Konsens, dass tierhaltende Betriebe bei der Zuteilung der Gelder aus den europäischen Landwirtschaftsfonds stärker berücksichtigt werden sollten. Deshalb sei eine maßvolle Umschichtung der Mittel der Direktzahlungen für Maßnahmen des Tierschutzes und einer nachhaltigeren Landwirtschaft sinnvoll. Das EU-Recht lasse eine solche Umschichtung bis zu 15% der Direktzahlungen zu.

Meyer bekräftigte, dass die so umgeschichteten Mittel nicht der Landwirtschaft entzogen werden sollen, sondern weiterhin in der Landwirtschaft bleiben. Sie sollen lediglich für stärker an gesellschaftlichen Zielen ausgerichteter Maßnahmen eingesetzt werden. Niedersachsen will z.B. die Weidehaltung fördern, um Dauergrünland zu erhalten, den tiergerechten Umbau von Ställen – z.B. Kastenständen für Sauen – fördern, und Anreize setzen für mehr Tierschutz, wie z.B. durch die Ringelschwanzprämie.

Meyer widersprach den Vorwürfen, er kündige damit den Konsens der Sonder-Agrarministerkonferenz von 2014 auf. Man habe sich damals zwar auf eine Umschichtung von 4,5% geeinigt, aber allen Beteiligten sei bewusst gewesen, dass nach den ersten Umsetzungsjahren eine ergebnisoffene Überprüfung und Neubewertung der Beschlüsse anstehen würde. Es habe sich viel verändert seit 2014, und heute würden nicht nur Naturschutzverbände für eine Umschichtung plädieren, sondern auch Landwirte. So habe sich der Verband der „Familienbetriebe Land und Forst“ offen zu einer besseren Entlohnung der Landwirte für Gemeinwohlleistungen ausgesprochen und die Umschichtung unterstützt. Aufsehen habe erregt, dass selbst die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft DLG gefordert hat, die EU-Förderung konsequent auf die Förderung gesellschaftlicher Leistungen auszurichten.

Niedersachsen hatte den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes im Bundesrat vorgelegt. Damit soll die Rechtsgrundlage geschaffen werden, eine im EU-Recht vorhandene Möglichkeit zur Umschichtung der EU-Mittel zwischen zwei Strukturfonds voll auszuschöpfen. Das EU-Recht lässt eine Umschichtung von bis zu 15 % der Mittel zu.

Deutschland schichtet derzeit lediglich 4,5 % der Mittel um, das sind 230 Millionen Euro. Niedersachsen will den vollen Umfang der Umschichtung – also 15 % oder 750 Millionen Euro – künftig auch in Deutschland zu nutzen. Eine Umschichtung von 15 % war allerdings im Bundesrat nicht mehrheitsfähig. Angenommen wurde die niedersächsische Gesetzesinitiative dann aber doch noch, auf der Basis eines von Baden-Württemberg angeregten Kompromisses, der eine Umschichtung von 6 % der Direktzahlungsmittel vorsieht.

Kick-off Meeting Inno4Grass

Dauergrünland hat große Bedeutung für Klima- und Naturschutz


Ein Kick-off Meeting „Inno4Grass“ – das klingt nach Fußball, hat mit Fußball aber nichts zu tun. Trotzdem geht es bei „Inno4Grass“ ebenfalls um Erfolge, die man nur im Team erringen kann. Auf Einladung des Grünlandzentrums Niedersachsen-Bremen trafen sich vom 14. – 16. Februar dreißig Grünlandexperten aus zwanzig Instituten von acht europäischen Staaten in der Landesvertretung Niedersachsens. Der Grund für dieses Treffen war, den Startschuss für ein gemeinsames Projekt zur Grünlandforschung zu geben. Das Rad muss ja nicht 20mal neu erfunden werden, und wenn man an gleichen Problemen und Themen arbeitet, kommt man schneller zum Ziel, wenn man sich zusammentut, die Aufgaben verteilt, die Ergebnisse austauscht. Deshalb fördert die Europäische Union solche Projekte der Zusammenarbeit aus dem Programm HORIZON 2020: das ist Europa.

Das Projekt „Inno4Grass“ vereint Bauernverbände, Kammern, Beratungsorganisationen und Forschungseinrichtungen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Polen und Schweden. Also Staaten, in denen das Grünland einen erheblichen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmacht. Das Projekt soll zwischen Forschung und Praxis vermitteln, um innovative Grünlandsysteme, die Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit verbinden, in der Praxis zu verbreiten. „Inno4Grass“ wird ein Netzwerk aufbauen, über das Informationen, Illustrationen, Beratungs- und Schulungsmaterial verbreitet wird. Wenigstens 100 Texte und 104 Videoclips, die Erkenntnisse aus 85 Fallstudien aufbereiten, sollen über das Netz verfügbar gemacht werden.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Grünlandnutzung unter einen Hut zu bringen: das ist die große Herausforderung. Grünland – also Wiesen und Weiden – macht in Niedersachsen etwa ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus. In küstennahen Landkreisen kann dieser Anteil auch mal bis fast 100% betragen.

Dauergrünland hat für den Klima- und Naturschutz große Bedeutung. Es ist artenreicher als jede andere landwirtschaftliche Fläche, ist also unersetzbar für die Biodiversität, es bindet Kohlendioxid, unterstützt somit den Klimaschutz, hält und filtert Regenwasser, schützt und verbessert die Bodenkrume. Aber Grünland wächst zu, wenn es nicht regelmäßig gemäht oder beweidet wird. Und das geschieht nur, wenn sich das wirtschaftlich für den Landwirt lohnt, z.B. durch die Beweidung durch Kühe oder Schafe. Umgekehrt ist es schwer, mit Grünlandaufwuchs allein eine hohe Milchleistung zu erzielen. Das Projekt „Innov4Grass“ soll Informationen bereitstellen, wie dieses Kunststück gelingen kann.

„Wir haben es satt!“ sagen immer mehr Bürgerinnen und Bürger zu den Auswüchsen der Intensivtierhaltung. Abgeschnittene Schweineschwänze und Hühnerschnäbel, geschredderte Eintagsküken, Nitratüberschüsse im Grundwasser, Kastenstände für Sauen: Eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung sieht anders aus. Die Mehrheit der Bevölkerung und auch der Landwirte will Veränderung. Gute, auf wissenschaftlichen Fakten basierende Vorschläge zum Umbau der Nutztierhaltung liegen längst auf dem Tisch. Sie wurden von Beratergremien erarbeitet, die der Bundeslandwirtschaftsminister selber dafür eingesetzt hatte. Nur umgesetzt werden diese Vorschläge immer noch nicht. „Wir haben es satt!“ sagt deshalb jetzt auch der Bundesrat. Eine von Niedersachsen zusammen mit Bremen eingebrachte Entschließung fordert von der Bundesregierung, diese guten Vorschläge endlich rechtsverbindlich umzusetzen. Landwirtschaftsminister Christian Meyer im Plenum des jüngsten Bundesrats: „Nichtstun ist keine Lösung und gefährdet Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit der Agrarbranche.“

Alles Nötige liegt auf dem Tisch

Tatsächlich liegt alles, was man dazu wissen muss, auf dem Tisch. Der wissenschaftliche Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums hatte im März 2015 in seinem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ die derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere für nicht zukunftsfähig erklärt. Er hat gleichzeitig umfangreiche Leitlinien für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung entwickelt. Ein vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingesetzter „Kompetenzkreis Tierwohl“ von Experten aus Wissenschaft, Landwirtschaft, Gesellschaft und Kirchen unter Leitung von Gert Lindemann hat seinen Abschlussbericht mit vielen wertvollen Empfehlungen vorgelegt. Die Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben konkrete und praxisreife Ergebnisse für mehr Tierschutz erarbeitet. In Niedersachsen z.B. bleibt seit Januar 2017 bei über 28 Millionen Küken der Schnabel dran. Niedersachsen hat eine Landesvereinbarung zur Beendigung des Schlachtens hochträchtiger Kühe getroffen. Landwirte in Niedersachsen bekommen 16,50 € pro Schwein, wenn der Ringelschwanz noch dran ist.

Der Bund muss jetzt handeln!

Die Crux ist: Vieles, was zu tun wäre, kann nur der Bund regeln. Für das Tierschutzrecht ist der Bund zuständig, ebenso für das Baurecht und den Immissionsschutz. Wie ein tierschutzgerechter Stall aussehen soll, der auch in zwanzig Jahren noch den Anforderungen entspricht, muss also auf Bundesebene geklärt werden. Die Landwirte machen beim Tierschutz gerne mit, aber sie brauchen Rechtssicherheit für ihre Investitionen und auch Förderung. Meyer betonte in seiner Rede vor dem Bundesrat, dass der niedersächsische Antrag von einem ungewöhnlichen Bündnis erarbeitet und vorgestellt wurde.

Vom Deutschen Tierschutzbund bis zu Großunternehmen der Ernährungswirtschaft. Von Bauernverbanden über den Verband der Schweinehalter bis zu früheren niedersächsischen Landwirtschaftsministern in neuer Funktion. Die Bereitschaft für mehr Tierschutz und Umweltschutz ist in Wirtschaft und Landwirtschaft längst da. „Deshalb“, so Minister Meyer im Bundesrat, „brauchen wir nicht Streit über Bauernregeln zwischen Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium, sondern klare Regeln, die auf einem langfristigen Konsens basieren.“ Meyer: „Dieser Konsens muss mehr als eine Legislaturperiode überdauern und in Schritten die Nutztierhaltung positiv verändern, ohne sie ins Ausland zu vertreiben.“ Das gehe „nur mit Fordern und Fördern, und am besten gemeinsam.“

Mit dem Bundesratsbeschluss reichen die Länder dem Bund die Hand und bieten an, diesen Konsens gemeinsam zu entwickeln.

Direktzahlungsdurchführungsgesetz: was steckt dahinter?

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer will Veränderungen

750 Millionen Euro Jahr für Jahr: das ist eine Summe, mit der man eine Menge Gutes tun könnte für mehr Nachhaltigkeit und mehr Tierwohl in der Landwirtschaft. Indem man beispielsweise den Bau tiergerechter Ställe fördert, die Weidehaltung der Milchkühe, die Pflege des Grünlands oder die Digitalisierung der Landwirtschaft. Oder auch indem man Prämien dafür zahlt, dass Schweine ihre Ringelschwänzchen behalten. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer fordert, dass jährlich 750 Millionen Euro für die Entwicklung einer nachhaltigen und tiergerechten Landwirtschaft ausgegeben werden. Die Entscheidung darüber aber liegt bei den Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag.

750 Millionen Euro Jahr für Jahr: das ist viel, würde auch Herrn Schäubles „schwarze Null“ nicht gefährden. Denn das Geld kommt von der Europäischen Union, ist also schon da. Es wird allerdings falsch ausgegeben. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer will dies korrigieren und hat deshalb den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes im Bundesrat vorgelegt. Damit soll die Rechtsgrundlage geschaffen werden, eine im EU-Recht vorhandene Möglichkeit zur Umschichtung der EU-Mittel zwischen zwei Strukturfonds voll auszuschöpfen. Deutschland nutzt diese Möglichkeit bislang nur sehr begrenzt. Das EU-Recht lässt eine Umschichtung von bis zu 15 % der Mittel zu. Deutschland schichtet lediglich 4,5 % der Mittel um, das sind 230 Millionen Euro. Minister Meyer fordert, den vollen Umfang der Umschichtung – also 15 % oder 750 Millionen Euro – künftig auch in Deutschland zu nutzen.

Zum Hintergrund: Die Europäische Union zahlt Deutschland jährlich 6,3 Milliarden Euro aus zwei Strukturfonds für die Landwirtschaft: 1,3 Milliarden Euro kommen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER, sog. „2. Säule GAP“). Damit kann man gezielt all die nützlichen Dinge fördern, die oben angedeutet wurden. Der weitaus größere Batzen aber, jährlich rund 5 Milliarden Euro, stammt aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL, sog. „1. Säule GAP“) und wird – wie mit der Gießkanne – breitflächig verteilt. Wer eine landwirtschaftlich genutzte Fläche besitzt, bekommt Geld. Unabhängig davon, ob er bedürftig ist oder nicht, und unabhängig davon, ob er seine Flächen im Sinne der Gesellschaft bewirtschaftet oder bloß für das eigene Portemonnaie. Die vor vielen Jahren von der Europäischen Kommission mutig verkündete – und richtige – Parole, öffentliche Gelder an die Landwirtschaft nur noch für öffentliche Leistungen auszugegeben, wurde zwischenzeitlich bis zur Unkenntlichkeit kaputtgeredet. Nach wie vor gehen 80 % der Gelder an die 20 % größten Betriebe, aber nicht dorthin, wo das Land im Sinne gesellschaftlicher Ziele bewirtschaftet wird.

Grünlandförderung, Ringelschwanzprämie: das ist alles nichts Neues. Diese Maßnahmen – und viele andere mehr – werden bereits heute durch das Landesprogramm PFEIL gefördert, mit dem Niedersachsen das europäische ELER-Programm umsetzt. Aber mit der Umschichtung von 15% der EGFL-Mittel in das PFEIL-Programm könnte man diese Maßnahmen ausweiten. Und weitere sinnvolle einführen, für die bisher kein Geld übrig ist. Nur als Gedankenanstoß: Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat in seinem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung‘“ geschätzt, dass für den Umbau der derzeitigen Nutztierhaltung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl 3 bis 5 Milliarden Euro jährlich erforderlich sind. Auch der Wissenschaftliche Beirat fordert deshalb die Umschichtung der Mittel aus dem EGFL in die ELER-Programme.

Grüne Woche: Niedersachsen- Abend und Zukunftswerkstatt

Nachhaltigkeit, Werteorientierung und Wertschätzung in der Landwirtschaft

Niedersachsen in Berlin: das muss nicht immer die Landesregierung sein, und das muss auch, räumlich gesehen, nicht nur „In den Ministergärten 10“, dem Sitz der Landesvertretung, stattfinden. Alljährliche Highlights niedersächsischer Präsenz in Berlin sind z.B. auch die Niedersachsenhalle auf der „Grünen Woche“ – der Berliner Landwirtschafts- und Ernährungsmesse – und, ebenfalls dort, die „Zukunftswerkstatt“ und der „Niedersachsenabend“. Alle drei werden von der Marketinggesellschaft der Niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft e.V. organisiert und durchgeführt. Fast jeder Messebesucher kommt durch die Niedersachsenhalle, viele Lobbyisten wären gerne auf dem „Niedersachsenabend“ dabei. Die „Zukunftswerkstatt“ hingegen ist ein Geheimtipp. Aber einer, den man weitererzählen sollte.

Auffallend an der diesjährigen Ausgabe der Zukunftswerkstatt war das ungewöhnlich starke Aufgebot an niedersächsischer Politikprominenz: erstmals war ein amtierender Ministerpräsident (Stephan Weil) dabei, dazu noch einer, der das werden will (Bernd Althusmann), zwei amtierende Minister (Olaf Lies, Christian Meyer), wenigstens zwei ehemalige Landwirtschaftsminister (Uwe Bartels, Heiner Ehlen) und ein möglicherweise zukünftiger (Helmut Damman-Tamke) wurden gesichtet. Begründet wurde dies mit einer günstigen Sitzungsplanung des Landtags. Vermuten lässt sich, dass auch das Näherrücken der nächsten Landtagswahl eine nicht unerhebliche Rolle spielte.

Nachhaltigkeit, Werteorientierung, Wertschätzung – diese Begriffe fassen die Essenz der Vorträge und Diskussionen dieser Zukunftswerkstatt zusammen: der Weg, auf den Veranstalter und Referenten die Landwirtschaft schicken wollen. Eine positive mutmachende Agenda, deren Stimmung aber offenbar auf Landvolk-Vizepräsident Ulrich Löhr nicht abgefärbt hatte. Der sollte eigentlich die Gäste begrüßen, ließ sich dann aber zu einem Politik-Bashing der eher konventionellen Art hinreißen.

Wohl auch nicht erwartet hatten einige Zuhörer den Ton, den Landwirtschaftsminister Christian Meyer in seinem Grußwort anschlug: Verständnis und Wertschätzung für die Landwirtschaft. Landwirte hätten anständige Preise für ihre anständige Arbeit verdient. Lebensmittel stellen einen realen Wert dar, der wertzuschätzen sei. Wertschätzung, die sich in einem angemessenen Preis auszudrücken habe. Von daher seien Lebensmittel aktuell zu billig. Meyer dankte den Landwirten und allen, die daran mitgewirkt haben, dass Niedersachsen seinen Tierschutzplan abarbeiten konnte. Die niedersächsische Landwirtschaft sei inzwischen aus dem Kürzen der Legehennenschnäbel ausgestiegen. Niedersachsen sei heute Marktführer bei Bioeiern und Freilandeiern. Und auch den Antibiotikaeinsatz habe man in nur eineinhalb Jahren um die Hälfte einschränken können. Und natürlich sagte Landwirtschaftsminister Meyer auch noch, wo die Reise hingehen muss: Dahin, dass öffentliche Gelder nur noch für öffentliche Leistungen ausgegeben werden, weil die Einkommen durch anständige Preise gedeckt werden. Dahin, dass Landwirte Planungssicherheit beim Bau tiergerechter Ställe und bei der Düngung bekommen. Dahin, dass man aus Klimaschutzgründen die Düngung reduzieren kann, weil es Weizensorten gibt, die auch dann noch gute Backqualität liefern. Es gehe bei der „Nachhaltigkeit“ der niedersächsischen Landwirtschaft längst nicht mehr um das „ob“, sondern inzwischen nur noch um das „wie“. Ob alle Hörer im Saal das auch so sahen?

Wie Nachhaltigkeitsstrategien verwirklicht werden können – und welche Chancen darin liegen – zeigte Prof. Matthias Kussin von der Hochschule Osnabrück. Er hatte früher einmal für die Energiebranche gearbeitet – auch die hat bekanntlich auf schmerzhafte Weise Nachhaltigkeit erst lernen müssen. Anhand der Leitsätze „Ohne Herausforderung keine Nachhaltigkeit“, „Ohne Konflikt keine Nachhaltigkeitsstrategie“ und „Ohne Einigkeit kein Erfolg“ erzählte Kussin die Erfolgsgeschichten konkreter Start-ups der Lebensmittelwirtschaft: vom Gänsehof Claßen, von der Bugfoundation, vom Direktvermarkter „Green Farmer“.

In der anschließenden Diskussion konnten dann auch etablierte Unternehmen wie McDonalds, Frosta und Nordzucker erläutern, wie sie es geschafft haben – und immer noch täglich daran arbeiten – ihre Produkte und ihre Produktion nachhaltiger zu machen. „Es sind die vielen täglichen Schritte, nicht der eine große Sprung“ – so das Resümee dieses Gesprächs. Vielleicht liegt hier das Rezept für die sogenannte „konventionelle“ Landwirtschaft und die Agrarpolitik, die eine „Agrarwende“ hinkriegen müssen, ohne sich auf die Seite zu legen.

Foto: Internationale Grüne Woche Berlin

Amtschefkonferenz treibt Politik voran

Niedersachsen hat Vorsitz der Agrarminister

Hartnäckiges Bohren dicker Bretter – das ist der Auftrag von Amtschefkonferenzen. Das taugt selten für spektakuläre Schlagzeilen, ist aber unerlässlich um die zahlreichen Baustellen der Politik voranzutreiben. Am 18. und 19. Januar trafen sich die für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständigen Staatssekretäre von Bund und Ländern zu ihrer ersten Amtschefkonferenz in 2017. Da Niedersachsen in diesem Jahr den Vorsitz hat, fand das Treffen in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin statt. Von den insgesamt 27 Tagesordnungspunkten, die in diesen zwei Tagen durchgearbeitet wurden, sollen hier nur fünf Essentials im Schnelldurchlauf präsentiert werden:

  • CETA (Freihandelsabkommen EU – Kanada): die Amtschefinnen und Amtschefs der Länder bitten die Bundesregierung um einen Bericht zu den Folgen des geplanten Abkommens für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft. Und sie bitten auch um einen Bericht zur vorgesehenen Umsetzung des Ratifizierungsverfahrens. Nicht konsensfähig war das Anliegen Niedersachsens, zu betonen, dass die Länder über den Bundesrat bei der Ratifizierung einbezogen werden müssen. Das allerdings hatte der Bundesrat früher bereits mehrfach gefordert, da nach mehrheitlicher Rechtsauffassung zur Ratifizierung eines „gemischten“ Abkommens beide Parlamente, Bundestag und Bundesrat, einbezogen werden müssen.
  • GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU): die Amtschefinnen und Amtschefs der Länder bitten die Bundesregierung, ein Positionspapier zur Weiterentwicklung der GAP vorzulegen. Der Planungshorizont der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik endet in 2020. Da sich die politische Willensbildung zur Neuausrichtung der Agrarpolitik erfahrungsgemäß sowohl in Brüssel als auch in Berlin über Jahre hinzieht, muss jetzt mit dem Nachdenken über das, was nach 2020 kommen soll, begonnen werden.
  • Stärkung der Erzeuger in der Wertschöpfungskette: die Amtschefinnen und Amtschefs der Länder begrüßen ausdrücklich die Empfehlung, eine EU-weit gültige Regelung zu unlauteren Handelspraktiken einzuführen, um die Position der Landwirte in der Lebensmittelkette zu verbessern. Experten, darunter der Kartellamtspräsident Mundt, hatten darauf hingewiesen, dass die Verträge in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette aktuell so gestaltet sind, dass das gesamte unternehmerische Risiko den Landwirten zugeschoben wird. Die Europäische Kommission will dies ändern, will die Erzeuger stärken und den Handel zügeln. Das Bundeslandwirtschaftsministerium zögert hier allerdings und hofft auf die Einsicht und das freiwillige Einlenken derjenigen, die vom System profitieren.
  • Revision der EU-Ökoverordnung: die Amtschefinnen und Amtschefs der Länder bitten die Bundesregierung in Brüssel darauf hinzuwirken, dass die Verhandlungen über eine Revision der EU-Ökoverordnung beendet werden. Die Europäische Kommission hatte am 24.3.2014 einen Vorschlag zur Überarbeitung dieser Verordnung vorgelegt. Eine Überarbeitung wollen alle. Die Vorstellungen dazu, was und wie überarbeitet werden soll, gehen allerdings weit auseinander. Die Verhandlungen stehen derzeit still, weil die Kommission darauf beharrt, schärfere Grenzwerte für Rückstände in Ökoprodukten einzuführen. Das aber will in Deutschland niemand, weil unsere Ökobetriebe das nicht einhalten könnten. Dann lieber keine Überarbeitung.
  • Bodenmarktpolitik: die Amtschefinnen und Amtschefs der Länder begrüßen es, wenn der Vollzug der für den Bodenmarkt relevanten Gesetze verbessert und eventuelle Regelungslücken geschlossen werden, insbesondere auch durch eine Regelung der Anteilskäufe (Share Deals) im Grundstücksverkehrsgesetz. Angesichts von Niedrigzinsen auf unsicheren Finanzmärkten dringt außerlandwirtschaftliches Anlagekapital verstärkt auf den Markt für landwirtschaftliche Grundstücke. Das treibt die Preise, die längst nichts mehr mit dem Ertragswert des Bodens zu tun haben. Sie sind für viele Landwirte, die ihren Betrieb gerne vergrößern würden, längst unerschwinglich. Der Grundsatz „Bauernland in Bauernhand“, der die Ländergesetze zur Bodenpolitik motivierte und heute durch abenteuerliche rechtliche Konstrukte umgangen wird, muss wieder gestärkt werden.

Unter niedersächsischem Vorsitz werden in diesem Jahr 2017 zwei weitere Amtschefkonferenzen sowie zwei Agrarministerkonferenzen stattfinden: Ende März in Hannover und Ende September in Lüneburg.

Foto: TourismusMarketing niedersachsen

Gentechnik: den Bock zum Gärtner gemacht?

Christian Meyer: Bundeseinheitliches Anbauverbot wird es kaum geben

„Die große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt Gentechnik in Lebensmitteln ab, auf dem Tisch wie auf dem Acker. Aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird es ein bundeseinheitliches Anbauverbot kaum geben. Ich halte deshalb eine Nachbesserung für dringend geboten. Wir alle sind verpflichtet, die Wünsche unserer Bevölkerung ernst zu nehmen“ – so Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer im Bundesrat. Zur Debatte stand ein Gesetzentwurf, mit dem die Bundesregierung eine europäische Vorgabe umsetzen will, die es Deutschland erlauben würde, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) zur Lebensmittelerzeugung in Deutschland zu verbieten.

Eigentlich ist die Prüfung und Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen Sache der Europäischen Union, damit auf dem europäischen Binnenmarkt nur Produkte kursieren, die von allen akzeptiert werden. Die Praxis hat aber gezeigt, dass die Meinungen zur Gentechnik in der EU sehr unterschiedlich sind und man sich in diesem Punkt bislang nie einigen konnte. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, hat der europäische Gesetzgeber schließlich die Richtlinie (EU) 2015/412 geschaffen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten, selbst wenn diese Pflanzen eigentlich innerhalb der EU zugelassen sind. Ein Mitgliedstaat kann also wählen, dass er hier den europäischen Weg nicht mitgeht (sog. „opt out“). Die deutschen Bundesländer hatten die Bundesregierung bereits während der Beratungen der EU-Richtlinie aufgefordert (vgl. den Beschluss), bei der Umsetzung dieses Regelung in nationales Recht dafür zu sorgen, dass Verbote ausgesprochen werden können, die im gesamten Deutschland einheitlich gelten. Wir wollen keinen Flickenteppich, bei dem ein Bundesland „ja“ zu GVO sagt, das andere „nein“. Um die Sache voranzubringen, hatte der Bundesrat sogar einen entsprechenden Gesetzentwurf aus niedersächsischer Feder in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Es gab Gespräche zwischen Bund und Ländern, die in ein gemeinsames „Eckpunktpapier“ mündeten. Offenbar hat dies alles nicht gefruchtet.

Denn der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, entspricht nicht dem, was zwischen Bund und Ländern abgesprochen war. Er enthält eine Vielzahl komplizierter Regelungen, die am Ende dazu führen, dass ein Flickenteppich entsteht. Anstatt den Anbau von GVO zu verhindern, bemüht sich der Gesetzentwurf eher, ein Anbauverbot zu erschweren. Man hat den Eindruck, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht werden soll. Niedersachsen ist über diesen Entwurf enttäuscht. Hier sind die wichtigsten unserer Kritikpunkte:

  • Der Gesetzentwurf verlangt, dass sich sechs Bundesministerien einig sein müssen, bevor man überhaupt ein Verbot versuchen kann. Auch das Bundesforschungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium gehören dazu, denen man eine eher unkritische Haltung zu GVO unterstellen darf. Sechs Meinungen unter einen Hut bringen, das ist schwierig und kostet Zeit, die einem das europäische Zulassungsverfahren nicht gibt.
  • Der Gesetzentwurf sieht vor, dass, wenn ein Verbot ausgesprochen werden soll, schon von Anfang an dafür „zwingende Gründe“ genannt werden müssen. Das aber geht über die europäischen Vorgaben hinaus. Die nämlich verlangen eine Begründung erst dann, wenn das antragstellende Unternehmen nicht von sich aus bereit ist. Der Entwurf der Bundesregierung vergibt – ohne Not – die Möglichkeit, schon in der ersten Phase einfach und elegant ein GVO-Verbot zu erreichen.
  • Schlimmer noch: der Gesetzentwurf schränkt die Auswahl der Argumente, mit denen ein Verbot begründet werden kann, unnötig ein. Während das EU-Recht hier eine offene Liste vorgibt, die Ergänzungen zulässt, will der Bund eine abgeschlossene und eingeschränkte Liste von Verbotsgründen. Auch in diesem Punkt ist der Vorschlag des Bundes strenger als das, was der europäische Rahmen ermöglichen würde.
  • Der Entwurf der Bundesregierung überträgt allein den Ländern die Verantwortung für die Begründung von Anbauverboten. Niedersachsen meint, dass auch die Bundesregierung verpflichtet werden sollte, Gründe für Anbauverbote zu prüfen und zu benennen. Denn der Bund hat mit dem Bundesamt für Naturschutz die fachlich kompetenten Ressourcen dafür.
  • Zudem ermöglicht der Entwurf der Bundesregierung, dass die deutschlandweite Gültigkeit von Anbaubeschränkungen durch ein einziges Bundesland jederzeit unterlaufen werden kann. Die Mehrheitsentscheidung kann ausgehebelt werden, ohne dass sich die benachbarten Bundesländer gegen die Folgen für ihre eigene Landwirtschaft wehren können. Ein „Flickenteppich“ wäre die Folge.

Deshalb noch einmal an dieser Stelle: eine Nachbesserung ist dringend nötig. Hoffen wir, dass der Bundestag, der diesen Entwurf nun beraten muss, dies auch so sieht.

Diese Hilfe ist keine! Die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag haben ein Gesetz beschlossen, das den krisengeplagten Milchbauern finanziell Erleichterung schaffen soll: Es werden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit die Liquiditätshilfen des 2. Milchpakets der Europäischen Union in Deutschland ausgezahlt werden können. Und gleichzeitig wird eine Tarifglättung im Einkommenssteuerrecht geschaffen, die es landwirtschaftlichen Betrieben erlauben soll, jeweils drei Jahre zusammen zu veranlagen und so unterschiedliche Jahresergebnisse miteinander auszugleichen. Niemand bezweifelt, dass die Milchbauern nach der schweren Preiskrise in finanziellen Schwierigkeiten stecken und schnelle Hilfe brauchen. Deshalb auch hat Niedersachsen dem Gesetz im Bundesrat letztlich zugestimmt. Nur: dieses Gesetz wird keines der Probleme im Milchmarkt lösen. Es wird sie zementieren.

Anders, als von der Agrarministerkonferenz in Göhren- Lebbin im April dieses Jahres beschlossen, knüpft das Gesetz der Regierungsfraktionen die Hilfszahlungen aus Brüssel nicht an die Bedingung, die Milchproduktion zu verringern. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt spricht zwar beschönigend von „Angebotsdisziplin“, tatsächlich aber soll der Bauer schon allein dafür Geld bekommen, dass er seine Produktion nicht steigert. Aber auch der Bundeslandwirtschaftsminister weiß, dass zu viel Milch im Markt ist, dass die Produktion verringert werden muss. Und vor allem weiß Minister Schmidt, dass die in der Vermarktungskette Milch üblichen Verträge mit Andienungspflicht und Abnahmegarantie dafür sorgen, dass der Landwirt nicht auf Marktsignale reagiert.

Die in der Kette üblichen Verträge schieben das gesamte wirtschaftliche Risiko weg vom Einzelhandel und den Molkereien hin allein zum Landwirt. Dem muss dann die Politik – oder besser: der Steuerzahler – deshalb immer wieder aus der Klemme helfen. Während Herr ALDI am anderen Ende der Kette und nicht zufällig einer der reichsten Deutschen, den finanziellen Rahm abschöpft. Zwar stellt auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt „mit Bedauern“ fest, dass „in der Milchbranche immer noch nicht überall die Erkenntnis zur Notwendigkeit von Strukturanpassungen vorhanden ist“, gesetzgeberische Konsequenzen aber hat er aus dieser Feststellung bislang nicht gezogen. Und auf die Freiwilligkeit derer zu spekulieren, die von den Fehlfunktionen im System profitieren, ist bestenfalls naiv. Damit steht uns die nächste Milchkrise – in geschätzt sieben Jahren – absehbar ins Haus.

Das von den Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz hält auch in seinem zweiten Teil – der Tarifglättung im Einkommenssteuerrecht – einer näheren Prüfung nicht stand. Es ist weder gezielt, noch wird es irgendetwas verändern, widerspricht damit allen Grundsätzen sinnvoller Förderpolitik. Hier wurde eine Gießkannenförderung aus Mitnahmeeffekten beschlossen! Denn von der Tarifglättung profitieren keinesfalls nur die Leidtragenden der Milchkrise. Es profitieren ausnahmslos alle: Auch Ackerbaubetriebe, der Obstbau, selbst die Forstwirtschaft. Das ist dem Deutschen Bauernverband nur recht: denn er fordert dies seit langem und begründet das mit einer angeblichen „Sonderrolle“ der Landwirtschaft. Die allerdings ist frei erfunden: „klima- und marktbedingte Schwankungen der Erträge“ zum Beispiel, treffen auch die Eisdiele, den Biergarten und das Tourismusgewerbe.

Es ist zweifelhaft, dass mit dieser Tarifglättung der verfassungsmäßige Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt wird. Absehbar hingegen ist, dass dieser Präzedenz- und Sündenfall Begehrlichkeiten Anderer wecken wird. Nicht einmal mit sozialen Argumenten lässt sich diese Steuerregelung rechtfertigen: Von einer Tarifglättung profitieren – aufgrund der Steuerprogression – vor allem Betriebe mit höherem Einkommen. Will man hingegen den kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben helfen, wäre die Anhebung der Freibeträge sinnvoller. Kurios ist schließlich die Forderung des Deutschen Bauernverbandes, auch noch juristische Personen in diese Steuerregelung einzubeziehen. Juristische Personen unterliegen bekanntlich der Körperschaftssteuer. Und die ist bereits per se „tarifgeglättet“, einheitlich auf 15%.

Niedersächsisches Schulobstprogramm will Gesundheit stärken

Programme Schulobst und Schulmilch werden zusammengelegt

Kinder stark machen: dazu gehört auch eine gesunde Ernährung. Sie stellt alle wichtigen Nährstoffe bereit, die ein Kind für Aktivität, Spiel und Bewegung, für die Stressbewältigung und fürs Lernen benötigt. Für die Ernährung gilt aber auch: Kinder ahmen das nach, was sie bei ihren Eltern, Geschwistern oder Freunden sehen – im Guten wie im Schlechten. Kinder brauchen also auch beim Essen positive Erfahrungen und Vorbilder. Auch die Schule kann solche Erfahrungen vermitteln. Das Land Niedersachsen bietet deshalb seit dem Schuljahr 2014/2015 Schulen die Möglichkeit, am Schulobstprogramm der EU teilzunehmen. Über 600 Schulen in Niedersachsen haben diese Chance genutzt. Das Niedersächsische Schulobstprogramm liefert den Schulen an bis zu drei Tagen pro Woche Obst und Gemüse, kostenlos und mit geringem Verwaltungsaufwand. Es macht Spaß, in der Klasse gemeinsam einen Obstsalat zu schnippeln. Man kann die bunte Vielfalt der Obst- und Gemüsearten kennenlernen, Unbekanntes ausprobieren. Man erfährt, wo das Essen herkommt und wie man es verarbeitet. Ganz nebenbei gibt es eine Extraportion Vitamine für klaren Kopf und sprudelnde Energie.

Der europäische Gesetzgeber hatte vor einiger Zeit entschieden, die bislang eigenständigen EU-Programme für Schulobst und für Schulmilch zusammenzulegen. Damit musste auch die Mittelverteilung neu geordnet werden. Der Deutsche Bundestag hat das Bundesgesetz, das diese europäischen Vorgaben in der nationalen Gesetzgebung nachvollzieht, am 20. Oktober dieses Jahres beschlossen. Der Bundesrat hat diesem Gesetz jetzt zugestimmt. Niedersachsen kann mit der neuen Mittelverteilung gut leben. Versuche anderer Bundesländer, den Verteilungsschlüssel zu ihren Gunsten zu ändern, konnten wir schon im ersten Durchgang abwehren.

Solche staatlichen Programme werden von der Lebensmittelwirtschaft gerne mal als „Bevormundung“ gegeißelt. Die verschweigt: Ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und zu viel Zeit vor Fernseher und Computer führen dazu, dass inzwischen jeder dritte Jugendliche und jedes fünfte Kind übergewichtig sind. Tendenz zunehmend. Acht Prozent der 10 bis 14jährigen und vier Prozent der Fünf- bis Siebenjährigen sind sogar adipös, also krankhaft übergewichtig. Diese Kinder leben gefährlich. Wer es nicht schafft abzunehmen, hat ein deutliches Risiko, Dauergast beim Arzt zu werden und früh zu sterben. „Rauchen schadet Ihrer Gesundheit“ steht mittlerweile auf jeder Zigarettenpackung, aber niemand warnt vor dem Schokoriegel, dem Burger, der Cola: Fettes und Süßes für eine schlappe Generation.

Christian Meyer will Junghennen und Elterntiere schützen

Niedersachsen bei Tierschutz Frontrunner

„Jede Legehenne war auch mal ein Jungtier, und jedes Huhn hat Eltern. Es muss daher endlich auch für Hennen im noch nicht legereifen Alter sowie für jene Tiere, die für die Küken-Produktion gehalten werden, verbindliche Regelungen geben.“ So Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer im Bundesrat. Die Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung, so wie sie derzeit besteht, enthält Vorschriften, wie Legehennen und Masthühner zu halten sind, lässt aber Junghennen und Elterntiere unberücksichtigt. Niedersachsen fordert den Bund jetzt auf, diese Regelungslücke zu schließen. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat dazu einen Verordnungsentwurf ausgearbeitet, der dem Bundesrat jetzt vorlag.

Meyer begründete in seiner Rede im Bundesrat, dass es einer bundesweiten Regelung bedarf. So werde nicht nur bundesweit für mehr Tierschutz gesorgt, sondern gleichzeitig auch für gleiche Wettbewerbsbedingungen in Deutschland und Planungssicherheit für die Landwirte. Das sei wichtig für die niedersächsische Landwirtschaft, die in Deutschland die Hälfte aller Legehennen und zwei Drittel aller Masthühner hält. Meyer betonte zudem, dass die vorgeschlagenen Regelungen im Rahmen des niedersächsischen Tierschutzplans erarbeitet und mit allen daran beteiligten Institutionen abgestimmt wurden. Also mit der Geflügelwirtschaft und dem Bauernverband, aber auch mit Kirchen, wissenschaftlichen Einrichtungen, der Verbraucherzentrale, der Landwirtschaftskammer und dem Landkreistag.

Um aus dem tierschutzwidrigen Kürzen der Schnäbel bei Jung- und Legehennen aussteigen zu können, sei es, so Meyer, „wichtig, dass schon die Kinderstube der Legehennen funktioniert“. Der niedersächsische Verordnungsvorschlag zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung enthält deshalb nicht nur Vorschriften zu Platz, Ausstattung, Beleuchtung und Stallklima, sondern legt auch Wert darauf, die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten des Tierschutzplans und der Tierärztlichen Hochschule umzusetzen: Damit Hühner gar nicht erst auf die Idee kommen, an ihren Artgenossen herumzupicken, muss man ihnen ausreichend Möglichkeiten geben, zu scharren, zu kratzen, zu picken, im Staub zu baden und aufzubaumen. Auch die Sachkunde der Halter ist wichtig.

Niedersachsen ist beim Tierschutz der Frontrunner. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister hatte schon vor fünf Jahren – früher als alle anderen – einen „Tierschutzplan“ auf die Beine gestellt, in dem Punkt für Punkt benannt wird, welches Tierschutzproblem in welchem Zeitrahmen gelöst werden muss. Seitdem laufen die Studien und Pilotprojekte, werden Lösungen erarbeitet. Wir arbeiten auch an der Rechtslage. Unsere Entschließung zur Kleingruppenhaltung von Legehennen ist hierfür ein Beispiel, das letztlich zu einer Verordnungsänderung führte, die ein Auslaufen dieser Haltungsform vorschreibt. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium kommt am Thema „Tierschutz“ nicht mehr vorbei. Niedersachsen Landwirtschaftsminister Meyer appellierte deshalb im Bundesrat – auch mit Blick auf die Bundesregierung – sich dem in Niedersachsen mit Wirtschaft und Verbänden gefundenen Konsens anzuschließen. Der Bundesrat jedenfalls beschloss mit Mehrheit, den Verordnungsentwurf der Bundesregierung zuzuleiten. Die hat es nun in der Hand, ihm Rechtskraft zu verleihen.

Frühwarnsystem für Afrikanische Schweinepest

Niedersachsen nimmt bereits heute mehr Proben

Angesagte Katastrophen haben den Vorteil, dass man sich auf sie vorbereiten kann. Seit 2007, ausgehend von Georgien über Armenien, Aserbaidschan, Russland und Weißrussland rückt eine – für Niedersachsen – neue Tierseuche näher. Aktuell ist sie im Baltikum angekommen und in Ostpolen: die Afrikanische Schweinepest. Die Wissenschaft behauptet, dass sie mit etwa 350 km pro Jahr voranschreitet. Irgendwann, das scheint jedenfalls nur zu wahrscheinlich, könnte sie also auch in Südoldenburg stehen. Die Auswirkungen wären bitter. Der letzte Seuchenzug der Klassischen Schweinepest hat in Niedersachsen wirtschaftliche Schäden von über einer Milliarde Euro verursacht. Die Afrikanische Schweinpest ist nicht weniger krankmachend und nicht weniger tödlich als die Klassische Schweinepest.

Die Politik baut natürlich vor. Unsere Schweinställe sind inzwischen Hochsicherheitstrakte hinter Mauern und Gittern, Zutritt für Unbefugte und alle Arten mutmaßlicher Keimträger verboten. Schweineweiden müssen doppelt eingezäunt werden, um zu verhindern, dass Schwarzwild-Keiler und Hybrid-Sau infektiöse Flüssigkeiten austauschen. Gefährlicher als rauschiges Schwarzwild sind aber Fernlastzüge: der nicht gereinigte Viehtransporter aus dem Baltikum, die polnische Schinkenstulle, die auf dem Rastplatz weggeworfen, vom Schwarzkittel gefrühstückt wird… Schilder und Aufklärungsbroschüren sollen die Fernfahrer auf diese Risiken hinweisen, aber man kennt sich ja selbst: nicht immer denkt man an alles, was man so tun und lassen soll.

Der Bundesrat hat jetzt einer zusätzlichen Vorsichtsmaßnahme zugestimmt: Mit der „Verordnung zur Durchführung eines Monitorings auf das Virus der Klassischen und der Afrikanischen Schweinepest bei Wild- und Hausschweinen (SchwPestMonV)“ wird deutschlandweit ein Frühwarnsystem eingeführt.

Jäger müssen künftig von verendet aufgefundenen Wildschweinen sowie erlegten Wildschweinen, die erkennbar krank erscheinen, Tupferproben, Blutproben oder Organproben nehmen, die dann von der Behörde auf Viren der Afrikanischen Schweinepest untersucht werden. Auf diese Weise hofft man, frühzeitig – bevor die erste Schweinemast gekeult werden muss – zu erkennen, dass die Seuche das Land erreicht hat. Die Verordnung gibt auch vor, wie viele Proben jedes Bundesland zu ziehen hat. Niedersachsen, das Bundesland mit mehr Schweinen als Einwohnern, kann sich da bequem zurücklegen: wir nehmen vorsichtshalber heute schon mehr solcher Proben, als künftig durch diese Verordnung vorgeschrieben sein wird. Denn angesagte Katastrophen können – vielleicht und hoffentlich – verhinderte Katastrophen sein.

Niedersächsische Schulprogramme Obst und Gemüse: Fortsetzung folgt

Bundesrat befasst sich mit Mittelverteilung ab Schuljahr 2017/2018

„Generation Kartoffelsack“ – das hört sich nicht schön an, trifft aber schmerzhaft den Punkt: Deutsche Kinder werden immer dicker! Ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und zu viel Zeit vor Fernsehgerät und Computer führen dazu, dass inzwischen jeder dritte Jugendliche und jedes fünfte Kind übergewichtig sind. Tendenz zunehmend. Acht Prozent der Zehn- bis Vierzehnjährigen und vier Prozent der Fünf- bis Siebenjährigen sind sogar adipös, also krankhaft übergewichtig. Diese Kinder leben gefährlich. Wer es nicht schafft abzunehmen, hat ein deutliches Risiko, Dauergast beim Arzt zu werden und früh zu sterben. „Rauchen schadet Ihrer Gesundheit“ steht auf jeder Zigarettenpackung, aber niemand warnt vor dem Schokoriegel, dem Burger, der Cola: Fettes und Süßes für eine schlappe Generation.

Da lässt sich was machen! Und die niedersächsische Landesregierung hat vor zwei Jahren entschieden, das zu tun: Kinder brauchen positive Erfahrungen und Vorbilder, dann lernt es sich leicht. Die Grundlagen einer gesunden Ernährung sollten im Elternhaus vermittelt werden, aber auch die Schule kann hier Wissen vermitteln. Das Land Niedersachsen bietet seit dem Schuljahr 2014/2015 Schulen die Möglichkeit, am Schulobst- und -gemüseprogramm der EU teilzunehmen. Über 600 Schulen in Niedersachsen haben diese Chance genutzt. Das Niedersächsische Schulobstprogramm liefert den Schulen an bis zu drei Tagen pro Woche Obst und Gemüse, kostenlos und mit geringem Verwaltungsaufwand. Es macht Spaß, in der Klasse gemeinsam einen Obstsalat zu schnippeln. Man kann die bunte Vielfalt der Obst- und Gemüsearten kennenlernen, Unbekanntes ausprobieren. Man erfährt, wo das Essen herkommt und wie man es verarbeitet. Ganz nebenbei gibt es eine Extraportion Vitamine für klaren Kopf und sprudelnde Energie.

Aber wie das so ist, in der Politik: die finanziellen Mittel, die in das niedersächsische Schulobstprogramm auch in Zukunft fließen sollen, müssen immer wieder verteidigt werden. Die Europäische Kommission hatte vor einiger Zeit das EU-Schulobst- und das EU-Schulmilchprogramm zusammengelegt. Damit musste auch die Mittelverteilung neu geordnet werden. Der Entwurf eines Bundesgesetzes, der aktuell dem Bundesrat vorlag, klärt, wie die Mittel ab dem Schuljahr 2017/2018 zwischen den Bundesländern verteilt werden sollen. Niedersachsen kann mit dem Vorschlag der Bundesregierung gut leben. Versuche anderer Bundesländer, den Verteilungsschlüssel zu ihren Gunsten zu ändern, konnten wir erfolgreich abwehren.

Bundesjagdgesetz schützt künftig Fischotter und Wildkatze

Bundesrat ruft Vermittlungsausschuss nicht an

Klammheimlich – jedenfalls unauffällig, auf das Unvermeidliche reduziert, schlank, glatt und ohne Aufhebens sollte es durchschlüpfen, das Gesetz zur Änderung des Bundesjagdgesetzes. Aber dann wurde es entdeckt und gestellt, sogar in den Vermittlungsausschuss sollte es gezerrt werden. Denn diese Chance wollten sich die Bundesländer nicht entgehen lassen: etwas in der Hand zu haben, um wichtige Anliegen durchzusetzen.

Gar nichts zu tun – diese Wahl hatte die Bundesregierung diesmal nicht. Um ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission abzuwehren, musste eine, wenn auch winzige, Regelungslücke im Bundesjagdgesetz geschlossen werden. Fischotter und Wildkatze, geschützte Arten nach EU-Recht, müssen auch im deutschen Jagdrecht als solche genannt werden. Und damit gab es einen Anknüpfungspunkt für eine weit umfangreichere Diskussion im Deutschen Bundestag und weit umfangreichere Wünsche der Länder im Bundesrat. Denn da gibt es Baustellen, auf denen dringend gearbeitet werden müsste:

  • Bleifreie Jagdmunition: seit Jahren ist bekannt, dass sich Bleimunition im Wildkörper zerlegt und die Bleiteilchen, wenn sie mit dem Wildbret verzehrt werden, ein Gesundheitsrisiko für Mensch und Tier bilden. Jedes Jahr sterben Seeadler an einer Bleivergiftung, weil sie z.B. die Innereien von mit Bleimunition geschossenen Tieren fressen. Bleifreie oder bleiarme Munition aus Kupfer, Messing ist im Handel erhältlich und in einigen Bundesländern und Landesforsten bereits Pflicht.
  • Jagdscheine: sie sind bundesweit gültig, die Prüfungsvoraussetzungen und Prüfungsinhalte für die Jägerprüfung aber werden bislang von den Ländern erlassen und unterscheiden sich deshalb. Ein bundeseinheitlicher Standard wäre sinnvoll.
  • Halbautomatische Langwaffen: Das Bundesverwaltungsgericht hatte festgestellt, dass solche Waffen, die ein Magazin aufnehmen können, das mehr als zwei Schuss enthält, mit dem Jagdgesetz nicht vereinbar sind. Der Deutsche Bundestag will diese Praxis jetzt legalisieren. Er hat sinngemäß formuliert, dass diese Waffen bei der Jagd verwendet werden dürfen, sofern nicht mehr als zwei Schuss im Magazin sind… Abgesehen mal davon, dass dies kaum zu kontrollieren ist, stellt sich hier auch die Frage nach Missbrauchsmöglichkeiten solcher, den Kriegswaffen sehr ähnlichen Waffen, und dem Gewaltmonopol des Staates. 100 000 solcher Halbautomaten sollen im Umlauf sein…
  • In einigen Bundesländern ist es üblich, dass die staatlichen Forstämter die Eigentümer kleiner Privatwaldflächen beraten und bei der Bewirtschaftung unterstützen. Eine auf Betreiben einiger Sägewerke durchgeführte Prüfung sah in der gemeinsamen Holzvermarktung ein kartellrechtlich fragwürdiges Monopol. Die betroffenen Bundesländer – Niedersachsen gehört nicht zu ihnen – wollen eine Freistellung wenigstens derjenigen Betreuungsleistungen erwirken, die mit der Holzvermarktung nichts zu tun haben.

Alle diese Baustellen sind seit langem bekannt. Und sie alle wurden bereits in einem Gesetzentwurf berücksichtigt, der den Bundesländern und Verbänden zur Anhörung übermittelt wurde. Nur: passiert ist danach nichts. Stillstand der Rechtspflege, wie derzeit in so vielen anderen Bereichen der Gesetzgebung (Düngerecht, Erbrecht….).

Und wie geht die Geschichte aus? Der Bundesrat verzichtete letztlich denn doch auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Offiziell wegen einer Protokollerklärung der Bundesregierung, in der diese verspricht, zu Gesprächen über eine einvernehmliche Lösung einzuladen. Man kann diese Erklärung als „weiße Salbe“ interpretieren. Man kann andererseits aber auch zu der Einschätzung gelangen, dass es wenig Sinn macht, komplexe und zwischen den Ländern strittige Inhalte wie eine „Bundesjägerprüfung“ von einem Gremium aus Generalisten entscheiden zu lassen…

Christian Meyer mahnt Novellierung des Düngerechts an

Unerlaubt hohe Nitratwerte belasten Grundwasser

„Die Düngegesetzgebung wird zum BER der Landwirtschaft!“ So ein Kommentar aus dem Publikum, der auf unserer Veranstaltung zur Novellierung des Düngerechts zu hören war, zu der Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer am 20. September in die Landesvertretung eingeladen hatte. Für alle Nichtberliner: Der BER, das ist der Berliner Pannenflughafen, der schon vor fünf Jahren fertig sein sollte und, so steht zu befürchten, auch noch im November 2017 nicht einsatzbereit sein könnte. Der Vergleich mag wenig schmeichelhaft sein, von der Hand zu weisen ist er nicht: schon 2012 hatte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe festgestellt, dass das Düngerecht dringend reformiert werden muss, seit fast genau so langer Zeit kündigt die Bundesregierung diese Reform an. Passiert ist wenig. Entwürfe zirkulierten, verschwanden wieder in der Versenkung. „Zu Weihnachten werden Sie die Entwürfe im Bundesrat haben“, versprachen jetzt die Bundestagsabgeordneten Franz-Josef Holzenkamp (CDU) und Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD), beide landwirtschaftliche Sprecher ihrer Fraktion, in der Niedersächsischen Landesvertretung. Wer die Hintergründe kennt, zweifelt allerdings, dass diese schwere Geburt ausgerechnet noch im letzten Jahr vor der Bundestagswahl gelingen soll.

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer hatte die Veranstaltung angesetzt, um Druck zu machen: Es bleibt hier ein Problem zu lösen, das ohne eine neue Bundesgesetzgebung von Niedersachsen alleine nicht zu lösen ist. Im Kern geht es darum, dass im Grundwasser, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen, unerlaubt hohe Nitratwerte auftreten, weil landwirtschaftliche Flächen überdüngt werden. Ein paar Zahlen dazu, die verschiedene Redner an diesem Abend in den Raum stellten: Der Stickstoffüberschuss auf deutschen Flächen entspricht 250 000 Lastwagenladungen Kalkammonsalpeter. 60 Millionen Tonnen Gülle fallen allein in Niedersachsen an, davon müssen 34 Tonnen – also mehr als die Hälfte – überbetrieblich verbracht werden. Die dazu nötige Schlange an Gülletransportern würde einmal um den Äquator reichen. Natürlich gibt es Gesetze – „ganze Kilometer von Gesetzen“ – die einen ordnungsgemäßen Umgang mit diesen Dungmengen sicherstellen sollen. Aber, so Prof. Harald Kächele (Deutsche Umwelthilfe) in seinem Einführungsreferat: „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Es gebe ein „eklatantes Umsetzungsproblem“. Es fehle am Vollzug, an Kontrollen, an Sanktionen. Und deshalb, so Kächele, sei das Thema „Stickstoff“ im Kern dem Volkswagen-Skandal vergleichbar.

Landwirtschaftsminister Christian Meyer machte dann auch deutlich, was erforderlich ist, um effizient zu kontrollieren: Die Düngebehörde braucht den Zugriff auf die Daten, die in anderen Behörden schon vorhanden sind: bei der Baubehörde, bei der Tierseuchenkasse, bei der InVeKoS-Behörde. Der Abgleich zwischen diesen Daten wäre ausreichend, um diejenigen Betriebe herauszufischen, die aufgrund ihrer Struktur ein erhöhtes Risiko darstellen. Wenn die Düngebehörde das darf, dann wäre es nicht mehr nötig, die Landwirte mit zusätzlichen Datenforderungen und zusätzlicher Bürokratie zu quälen. Nur: dieser Datenzugriff ist derzeit aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten. Er müsste explizit ins Düngegesetz hineingeschrieben werden.

Würden sich die Landwirte gegen die Nutzung der vorhandenen Daten sträuben? Dr. Holger Hennies vom Niedersächsischen Landvolk stellte klar, dass es 20% der landwirtschaftlichen Betriebe sind, die 80% der Emissionen verursachen. Bei diesen 20% müsse man ansetzen. Und: er habe jetzt schon drei Winter lang über die kommende Gesetzesnovelle geredet. Jetzt müsse endlich etwas verabschiedet werden, die Landwirtschaft will vor allem Klarheit und Rechtssicherheit!

Wo hängt es denn dann? Offensichtlich, das konnte man in der Diskussion heraushören, an einem Glaubensstreit zwischen den Bundestagsfraktionen. Die SPD will die sog. „Hoftorbilanz“ einführen, und sie wurde darin von Prof. Friedhelm Taube (Universität Kiel) unterstützt. Die CDU hingegen will eine „pragmatische Lösung“. Prof. Kächele warnte vor allem Schönrechnen des Problems: „Machen Sie sich ehrlich!“ Das Herumgedruckse erinnere ihn an den Abgasskandal bei VW. Auch für die Landwirtschaft könne das Thema „Stickstoff“ sehr gefährlich werden, wenn erst die gesundheitliche Dimension öffentlich problematisiert wird. Und: Umweltrecht sei auch Wettbewerbsrecht, es gelte, die Ehrlichen zu schützen!

Christian Meyer: brauchen Milchmengen-Reduktion auf europäischer Ebene

Bundesrat stimmt Agrarmarktstrukturgesetz zu „Die Milch macht´s!“ Das jedenfalls war lange Jahre…

Bundesrat stimmt Agrarmarktstrukturgesetz zu

„Die Milch macht´s!“ Das jedenfalls war lange Jahre die Strategie vieler Landwirte, die vor der Entscheidung standen, wie sie ihren Hof führen sollten. Es schien so einfach: Die Produktionsmenge war per Quote vorgegeben; was man erzeugte, wurde abgenommen; den Preis bekam man mitgeteilt, nur das Melken durfte man nicht vergessen. Die Zeiten sind vorbei. Die Quote wurde abgeschafft, Angebot und Nachfrage bestimmen jetzt den Erzeugerpreis, der heftig nach oben und unten ausschlägt. Und es zeigt sich, dass die eingespielten Geschäftsbeziehungen zwischen Erzeuger und Molkerei nicht für diese Situation geschaffen sind. Die Lieferverträge setzen weder Preis noch Menge: wie soll man damit kalkulieren, ob sich das Belegen der Kühe lohnt? Preisberichte geben tagesaktuelle und molkereispezifische Informationen zu den Auszahlungspreisen: schön für die Molkereien, die damit genau wissen, was die Konkurrenz zahlt und nicht darüber hinausgehen brauchen. Der Lieferant kann sowieso nicht ausbüxen: er ist durch langfristige Verträge und die Andienpflicht gebunden. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die derzeitigen Verträge in der Lieferkette der Milchwirtschaft bewirken, dass das gesamte wirtschaftliche Risiko einseitig dem Milcherzeuger aufgebürdet wird.“

Dass, angesichts der derzeit katastrophal niedrigen Milch- Auszahlungspreise etwas geschehen muss, ist allen klar. „Alle Betriebe, große und kleine, schreiben derzeit dramatisch rote Zahlen“, so Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer im Bundesrat. Die Meinungen darüber, was zu tun ist, gehen allerdings auseinander. Die Regierungsfraktionen im Bundestag haben ein „Erstes Gesetz zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes“ nebst der zugehörigen Verordnung aufgelegt. Damit soll Genossenschaften und anderen Formen von Erzeugerorganisationen, die von Milcherzeugern nach nationalem Recht gegründet wurden, ermöglicht werden, in einem befristeten Zeitraum von sechs Monaten freiwillig gemeinsame Vereinbarungen zu schließen und Beschlüsse zu fassen, die die Planung der Erzeugung ermöglichen. Solche Beschlüsse könnten sich z.B. – und das wäre dringend nötig – auf die Mengen der zu liefernden Milch beziehen. Niedersachsen hat diesem Gesetz im Bundesrat zugestimmt. Leider hält der Raiffeisenverband, das hatte sich schon vorher gezeigt, nichts von solchen Plänen. Die Molkereien leben ja komfortabel mit der bestehenden Situation.

Zur Debatte stand im Bundesrat außerdem eine Entschließung aus niedersächsischer Feder. Sie greift Forderungen auf, die schon von der Agrarministerkonferenz AMK der Bundesländer gestellt wurden. Die Entschließung appelliert an die Wirtschaftsbeteiligten im Milchsektor, sich in Branchenorganisationen zusammen zu schließen, um im Falle von Marktkrisen besser reagieren zu können. Und der Bundesrat bedauert, dass bislang konkrete Regelungen über Vertragsbestimmungen fehlen, obgleich das EU-Recht den Mitgliedstaaten dies ermöglicht. Im Mittelpunkt dieser Entschließung aber stehen Mengenkürzungen. Die Quote zurückhaben will niemand. Aber, so Minister Meyer: „Wir haben ein Überangebot auf dem Markt, das die Nachfrage um 3% bis 5% übersteigt. Appelle an die freiwillige Bereitschaft der Marktbeteiligten werden nicht reichen. Wir brauchen jetzt sofort eine Mengenreduktion auf europäischer Ebene!“ Und Meyer weiter zum Schluss seiner Rede: „Wir brauchen zusätzliche EU-Mittel für die Reduzierung der Milchmenge. Milchkühe sind systemrelevant. Und deshalb sollten wir sie jetzt, wie die Banken, retten!“

Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz begrüßt Schaffung eines modernen und verbraucherfreundlichen Bauvertragsrechts

Bundesrat sieht noch Nachbesserungsbedarf im Detail Der Bundesrat beschloss am 22. April…

Bundesrat sieht noch Nachbesserungsbedarf im Detail

Der Bundesrat beschloss am 22. April 2016 zahlreiche Änderungsvorschläge zur geplanten Reform des Bauvertragsrechts. Diese zielen unter anderem auf einen höheren Verbraucherschutz und einen Interessensausgleich zwischen Bauherrn und Unternehmer ab. Der Regierungsentwurf sieht vor, spezielle Normen für den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag, den Architektenvertrag sowie den Ingenieurvertrag ins Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einzufügen.

Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz begrüßte in ihrer Rede vor dem Plenum ausdrücklich, dass mit dem vorliegenden Entwurf ein modernes und verbraucherfreundliches Bauvertragsrecht geschaffen werden solle. „Sowohl die Unternehmer als auch die Verbraucher werden in Zukunft genauer wissen, an welche Regeln sie sich zu halten haben, wenn sie einen Bauvertrag schließen.“, so Niewisch-Lennartz.

Die Ministerin sprach sich insbesondere für die im Gesetzentwurf vorgesehene Schaffung eines sogenannten Anordnungsrechts aus, welches von der Bauwirtschaft teilweise kritisiert werde. Der Bauherr erhält durch das Anordnungsrecht ein gesetzliches Recht, die vertraglich vereinbarte Leistung nachträglich einseitig zu ändern, sofern kein Einvernehmen mit dem Unternehmer erreicht werden konnte. Der Unternehmer kann sich der Anordnung nur entziehen, wenn ihm die Ausführung unzumutbar ist.

Die Justizministerin begründete ihre Haltung zum Anordnungsrecht: „Dies hilft, das Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Bauherren zu minimieren. Zwar weist der Regierungsentwurf zum Anordnungsrecht und dessen Vergütung noch einige kleinere Unwuchten auf. Doch mit einigen klugen Anregungen aus dem Bundesrat, über die wir heute entscheiden werden, dürften diese im Wesentlichen beseitigt werden. Daher appelliere ich an Sie, den Antrag nicht zu unterstützen, der sich gegen die Einführung des Anordnungsrechts ausspricht. Dies wäre ein falsches Zeichen.“

In einem zweiten Regelungskomplex sieht der Gesetzentwurf eine Klarstellung bei der Mängelhaftung im Kaufrecht vor. Diese betrifft Fälle, bei denen ein Kunde ein mangelhaftes Produkt erwirbt und es bei sich einbaut. Nach geltender Rechtslage sind Handwerker dann verpflichtet, bei ihren Kunden das verbaute fehlerhafte Material aus- und fehlerfreies wieder einzubauen. Jedoch haben die Handwerker keine Möglichkeit, die ihnen dadurch entstandenen zusätzlichen Kosten gegenüber dem Verkäufer der fehlerhaften Materialien geltend zu machen. Dieser Umstand konnte sich auf die Bereitschaft der Handwerker zur Mängelbeseitigung auswirken und damit auch zu negativen Folgen für den Verbraucher führen. Künftig soll eine Möglichkeit geschaffen werden, diese Kosten vom Lieferanten zurückzuholen. Niedersachsen hatte bereits auf der Justizministerkonferenz 2015 das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, das Gewährleistungsrecht entsprechend zu ändern. Der Antrag wurde damals von der Konferenz einstimmig angenommen.

Hierzu erklärte Niewisch-Lennartz: „Ich freue mich, dass die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der dieses Thema aufgreift. Über die konkrete Ausgestaltung der Regelungsinhalte ließe sich trefflich streiten, wie zum Beispiel, ob die Regresspflicht des Verkäufers auch AGB-fest ausgestaltet werden soll. Wichtig ist mir indes, dass das Thema bearbeitet und der Missstand beseitigt wird. Ich bin zuversichtlich, dass dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingen kann.“

Die Stellungnahme des Bundesrates wird nun der Bundesregierung zur Gegenäußerung zugeleitet. Regierungsentwurf, Stellungnahme und Gegenäußerung werden dann dem Bundestag zur Beschlussfassung zugeleitet.

Tiersonderbeihilfen kein Mittel gegen niedrige Preise

Niedersachsen setzt Signal Niedersachsen hat sich im Bundesrat zu einer Verordnung enthalten,…

Niedersachsen setzt Signal

Niedersachsen hat sich im Bundesrat zu einer Verordnung enthalten, der alle anderen Bundesländer zugestimmt haben. Das fällt auf und soll auch auffallen. Und muss erklärt werden. Es geht um die „Erste Verordnung zur Änderung der Tiersonderbeihilfenverordnung“. Also um die Entfristung einer Verordnung, die nötig ist, um die von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten 69,2 Millionen Euro als Liquiditätshilfe an die notleidenden deutschen Landwirtschaftsbetriebe auszahlen zu können.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Ja, auch die niedersächsische Landesregierung weiß, dass die Erzeugerpreise für Milch und Schweinefleisch seit jetzt schon über einem Jahr auf ein Niveau abgesunken sind, das viele Betriebe vor existenzgefährdende Liquiditätsprobleme stellt. Ja, es ist bekannt, dass vor diesem Hintergrund die Liquiditätshilfen in der Landwirtschaft hoch willkommen sind.

Aber: diese Liquiditätshilfen werden das Problem der zu niedrigen Preise nicht lösen. Sie sind nichts weiter als ein Tropfen auf dem heißen Stein, ein Herumdoktern am Symptom, eine Beruhigungspille. Die Liquiditätshilfen ändern nichts an der Ursache des Problems: der ganz erheblichen Überproduktion. Es ist einfach zu viel Milch im Markt! Seit Jahren steigt die Milchproduktion weltweit, auch in den Niederlanden, in Polen, in Irland, auch in Niedersachsen. Wir erzeugen in Deutschland etwa 10% über unserem eigenen Verbrauch. Und Exporte sind schwierig, seit Russland seinen Markt gesperrt hat. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. und das Europäische Parlament haben Konzepte einer freiwilligen Produktionseinschränkung diskutiert. Eine niederländische Molkerei zahlt ihren Lieferanten Prämien, wenn sie ihre Lieferungen einschränken. Es müsste dringend über neue Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien nachgedacht werden, über die fehlende Steuerungswirkung der Lieferverträge mit Abnahmegarantien einerseits und andererseits Preisen, die man erst im Nachhinein erfährt. Es müsste über einen höheren Organisationsgrad der Erzeuger geredet werden und über das Oligopson des Einzelhandels gegenüber den Molkereien. Hier passiert zu wenig, zu langsam, viel zu langsam.

Niedersachsens Enthaltung im Bundesrat ist ein politisches Signal. Ein Signal an die Öffentlichkeit und an die Politik in Berlin und Brüssel, das sagen will: tut endlich etwas Richtiges! Und den Landwirten sei zur Beruhigung gesagt: die Liquiditätshilfen gibt es trotzdem. Denn unsere einsame Enthaltung hat eine überdeutliche Mehrheit für die Zustimmung zur Verordnung nicht verhindern können.

Woher kommt das Ei im Eierlikör?

Bundesrat fordert Kennzeichnung zu Haltungsform auf Eierprodukten Wer bei REWE, EDEKA oder…

Bundesrat fordert Kennzeichnung zu Haltungsform auf Eierprodukten

Wer bei REWE, EDEKA oder Kaisers Eier kauft, hat die Wahl zwischen Bioeiern, griffgünstig in Augenhöhe platziert, Eiern aus Freilandhaltung, und, schamhaft ins unterste Regal verbannt, Eiern aus Bodenhaltung. Wer den Bildern und Bezeichnungen auf den Eierkartons nicht traut, kann sich durch einen Blick aufs Ei vergewissern: dort wurde ein Zahlencode aufgestempelt, mit einer vorangestellten 0 für Bio, 1 für Freilandhaltung, 2 für Bodenhaltung. Die 3 für Eier aus Käfighaltung hingegen werden Sie im Supermarkt nicht zu sehen bekommen. Und dies nicht deshalb, weil, wie gerne behauptet wird, die Verbraucherinnen und Verbraucher einsichtig und altruistisch entschieden hätten, solche Eier nicht zu kaufen. Sondern weil der Handel diese Eier aus dem Sortiment genommen hat, aus Angst, von Tierschützern an den digitalen Pranger gestellt zu werden.

Trotzdem finden Sie auch im Supermarkt Eier aus Käfighaltung. Nicht offen deklariert natürlich, sondern gut versteckt. Verarbeitet in Produkten wie z.B. Torten, Speiseeis, Fertiggerichten, Mousse au Chocolat, Eierlikör, Mayonnaise, Buletten, Panade und Schaumküssen. Weil sie billiger sind, kommen hier häufig Käfigeier zum Einsatz. Und weil es damit immer noch einen Absatzmarkt für Käfigeier gibt, müssen Legehennen weiter hinter Gittern leben, unter Umständen, die zwar legal sind, aber nicht so tiergerecht, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher sich dies wünschen.

Damit das aufhört, müssen Verbraucher auch erfahren können, woher die Eier stammen, die sich in verarbeiteten Produkten finden. Niedersachsen hat deshalb im Bundesrat eine Entschließung unterstützt, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, den Entwurf einer nationalen Regelung vorzulegen, die Hersteller von Ei-haltigen Lebensmitteln verpflichtet, diese entsprechend der Haltungsform der Legehennen zu kennzeichnen. Zudem soll sich die Bundesregierung in Brüssel dafür einsetzen, eine entsprechende europaweit geltende Regelung einzuführen. Wir leben im europäischen Binnenmarkt, und in den Regalen deutscher Supermärkte steht nicht nur deutscher Eierlikör. Gegner einer solchen Kennzeichnung behaupten immer, diese sei viel zu aufwendig, nicht machbar, nicht bezahlbar.

Tatsächlich aber nimmt die Zahl der Produkte stetig zu, auf denen bereits heute freiwillig ausgewiesen wird, aus welcher Haltungsform die Eier stammen, die darin verarbeitet wurden. Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz zeigte, dass fast die Hälfte der untersuchten Produkte, zwei Drittel der Backwaren und alle untersuchten Eierliköre einen entsprechenden Hinweis tragen. Achten Sie mal drauf!

Buchpreisbindung soll abgesichert werden

Elektronische Bücher sind erfasst Als das Buchpreisbindungsgesetz im Jahr 2002 in Kraft…

Elektronische Bücher sind erfasst

Als das Buchpreisbindungsgesetz im Jahr 2002 in Kraft trat, waren der Internethandel und digitale Medien noch vergleichsweise unbedeutend. Heute hat sich das deutlich verändert. Der Anteil der über das Internet verkauften Bücher ist gestiegen. Elektronische Bücher haben sich als Substitute zum gedruckten Buch etabliert. Neue und verbesserte Lesegeräte sowie einfache Technologien zum Herunterladen von Inhalten befördern diese Entwicklung. Das Nutzerverhalten ändert sich. Für die Zukunft sind vor allem Zuwächse im Downloadbereich absehbar.

Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes beschlossen, der dem Bundesrat jetzt zur Beratung vorlag. Mit dem Gesetzentwurf soll die Buchpreisbindung als essentielles Mittel zur Erhaltung der Vielfalt des Buchangebots und der Buchhandlungen auch im Hinblick auf elektronische Bücher abgesichert werden.

Elektronische Bücher werden explizit in die Aufzählung der unter die Buchpreisbindung fallenden Produkte aufgenommen. Bereits derzeit unterliegen die sog. buchnahen Produkte der Preisbindung. Voraussetzung ist, dass sie Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei der Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind. Dazu gehören auch elektronische Bücher – als Substitut des gedruckten Buches.

Das wird aus Gründen der Rechtssicherheit für die Marktbeteiligten mit dem Gesetzentwurf jetzt ausdrücklich klargestellt. Es ist nicht erforderlich, dass die elektronischen Bücher auch in gedruckter Form vorliegen. Der Nutzer muss dauerhaft das Recht erwerben, das elektronische Buch zu lesen, da dies mit dem Kauf eines Buches vergleichbar ist. Ein temporärer Zugriff z.B. über einen monatlichen Mietpreis wird nicht von der Preisbindung erfasst. Elektronische Bücher, die nicht als verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind, wie beispielsweise von den Autoren selbst unter Nutzung spezialisierter Plattformen veröffentlichte elektronische Bücher, fallen nicht unter die Preisbindung.

Außerdem wird die Buchpreisbindung auf grenzüberschreitende Buchverkäufe an Letztabnehmer in Deutschland ausgeweitet. Umgehungs­möglichkeiten durch die Einfuhr aus Ländern ohne Buchpreisbindung (z.B. der Schweiz) werden dadurch ausgeschlossen. EU-rechtlich ist das zulässig. Der Schutz des Buches als Kulturgut ist als ein zwingender Grund des Allgemeininteresses in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt. Rechtlich werden inländische und grenzüberschreitende Verkäufe gleich behandelt, die Wareneinfuhr wird nicht behindert.

Der Bundesrat hat darum gebeten, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft wird, ob ein Verbot von Absatzförderungsmaßnahmen, mit denen die Buchpreisbindung unterlaufen wird, in das Gesetz aufgenommen werden kann. Große Buchhändler betreiben zum Teil in großem Umfang Absatzförder­maßnahmen wie Kundenbindung durch Gutscheine, Werbung mit Spenden oder „Affiliate“-Programme (Provisionsgebundene Verlinkung oder Vermittlung im Internet). Es besteht die Gefahr, dass kleinere Marktteilnehmer, die dies nicht in diesem Umfang anbieten können, verdrängt werden. Soweit diese Maßnahmen die Buchpreisbindung unterlaufen, sind sie zwar bereits jetzt unzulässig. Die Klärung der Unzulässigkeit erfolgt aber durch Rechtsprechung. Hier wäre es nach Auffassung des Bundesrates wünschenswert, Rechtssicherheit durch die Aufnahme konkreter Kriterien in das Gesetz zu schaffen.

Das Gesetz soll am 1. September 2016 in Kraft treten.

Schockbilder auf Zigarettenpackungen

Tabakgesetz will Sicherheit und Gesundheitsschutz verbessern Als Otto Normalbürger mit (einigermaßen) gesundem…

Tabakgesetz will Sicherheit und Gesundheitsschutz verbessern

Als Otto Normalbürger mit (einigermaßen) gesundem Menschenverstand geht man ja davon aus, dass der Rechtsstaat nur solche Gebote erlässt, deren Einhaltung auch objektiv möglich ist. Wenn er also in einem Gesetz eine Frist setzt, ab der neue Regeln gelten, sollte diese Frist den Betroffenen die nötige Zeit lassen, sich auf die Situation einzustellen. Beim „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“ scheint dies übersehen worden zu sein. Der Bundestag nahm dieses Gesetz am 25. Februar 2016 an, der Bundesrat stimmte ihm jetzt zu. In dem Gesetz wird vorgesehen, dass es am 20. Mai 2016 in Kraft tritt, ab dann also einzuhalten ist.

Zwischen dem Ende des Gesetzgebungsverfahrens und dem Inkrafttreten liegen nur zwei Monate. Viel zu wenig, sagt der Verband der deutschen Rauchtabakindustrie. Zur Umsetzung der neuen Regeln brauche er mindestens 15 Monate, eigentlich 20. Denn das neue Packungsdesign, das das Gesetz vorschreibt, erfordere nicht nur veränderte Druckvorlagen, sondern auch neue Packungen und Packungsmaschinen, Drucktechniken und Prägewalzen. Die Unternehmen, die so etwas liefern können, seien klein und spezialisiert, sie hätten nicht die Kapazitäten, alle Tabakwarenhersteller gleichzeitig beliefern zu können. Unter diesen Umständen sei zu befürchten, dass erst die großen Zigarettenfabriken bedient werden und die mittelständischen Hersteller von Zigarren und Pfeifentabak das Nachsehen hätten.

Wer ist schuld an dem Dilemma? Die europäische Richtlinie, um deren Umsetzung es hier geht, wurde bereits am 3. April 2014 im Amtsblatt veröffentlicht. Seit etwa zwei Jahren hat also die Bundesregierung schwarz auf weiß, was umzusetzen ist. Es hat aber 20 Monate bis kurz vor Weihnachten 2015 gedauert, bis sie den entsprechenden Vorschlag zur Umsetzung in nationales Recht vorlegte. Spätestens seit dem 3. April 2014 kennt auch die Tabakindustrie die europäischen Vorgaben. Sie besteht aber darauf, dass sie erst dann mit der Umstellung beginnen kann, wenn das deutsche Gesetz in allen Details beschlossen ist, also Rechtssicherheit besteht. Ist das wirklich nur die übliche Verzögerungstaktik?

Es geht hier auch um Arbeitsplätze. Um die Arbeitsplätze der über 1000 Beschäftigten in der niedersächsischen Tabakindustrie, die unter die Räder geraten könnten, wenn die Umstellung nicht klappt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hatte sich deshalb schon im November letzten Jahres an Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt gewandt und ihn gebeten, sich auf europäischer Ebene für eine Verlängerung der Umsetzungsfrist einzusetzen. Stephan Weil hat dann im Januar 2016 sogar noch einmal selber direkt an den zuständigen EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis geschrieben. Der Deutsche Bundestag hat das deutsche Gesetz dennoch ohne eine solche Fristverlängerung beschlossen. Weil wir klarmachen wollten, dass es so nicht geht, hat Niedersachsen jetzt den Bundesrat genutzt, eine Entschließung zu fassen, mit der die Bundesregierung noch einmal dringend gebeten wird, sich bei der Europäischen Kommission für eine Fristverlängerung einzusetzen. Man kann ja zum Rauchen stehen, wie man will. Aber für Gesetze muss gelten, dass es möglich sein muss, sie einzuhalten.

Zum Hintergrund: mit dem Gesetz und der Verordnung „…zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“ wird die EU-Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU in deutsches Recht umgesetzt. Um allen Missverständnissen, die kursieren, vorzubeugen: weder das Rauchen von Tabak noch das Dampfen von E-Zigaretten soll verboten werden. Beides bleibt erlaubt! Die neuen Regeln wollen lediglich Sicherheit und Gesundheitsschutz verbessern. Für Tabakwaren werden deshalb neue vergrößerte Warnhinweise auf den Verpackungen eingeführt, die aus einer Kombination von Bild („Schockbilder“) und Text bestehen. Sie sollen mindestens 65 Prozent der Vorder- und Rückseite der Packung einnehmen. Es werden strengere Regeln für Zusatzstoffe eingeführt. So werden z.B. Zigaretten verboten, die Menthol enthalten (Helmut Schmidt muss das nicht mehr erleben). Es wird ein Sicherheitsmerkmal gegen Fälschung eingeführt und Maßnahmen, die helfen sollen, den Zigarettenschmuggel aufzudecken. Außerdem werden erstmals auch Sicherheitsstandards für E-Zigaretten eingeführt, die den Verbraucher vor minderwertigen (z.B. zu heißen) E-Zigaretten schützen sollen. Die Werbeverbote, die für Tabak gelten, werden auf nikotinhaltige E-Zigaretten ausgedehnt.

Künftig keine E-Zigaretten für Minderjährige

Jugendschutz im Versandhandel Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen billigte der Bundesrat…

Jugendschutz im Versandhandel

Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen billigte der Bundesrat am vergangenen Freitag Ausdehnung des Abgabe- und Konsumverbots von Tabakwaren auf elektronische Zigaretten und Shishas. Da bei diesen nur sogenannte Liquids verdampfen, handelt es sich nicht um Tabakwaren im Sinne des Jugendschutz- und des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Die darin geregelten strikten Verbote galten daher für diese Produkte bislang nicht.

Das Gesetz möchte zudem sicherstellen, dass Tabakwaren, E-Zigaretten und E-Shishas auch über den Versandhandel nur an Erwachsene abgegeben werden.

Es wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt und tritt weitestgehend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Christian Meyer will modernes, effizientes und wirksames Düngegesetz

Bundesrat nimmt Stellung zu Entwurf der Bundesregierung Modern, effizient und wirksam müsse…

Bundesrat nimmt Stellung zu Entwurf der Bundesregierung

Modern, effizient und wirksam müsse die Kontrolle des Düngerechts werden, so Niedersachsens Landwirtschaftsminister Meyer in der Bundesrats-Debatte zum Entwurf eines Ersten Änderungsgesetzes zum Düngegesetzes. Modern, weil die umwelt- und klimapolitische Ausrichtung des Düngegesetztes gestärkt wird. Effizient, weil die Möglichkeiten der EDV genutzt und auf vorhandene Daten zurückgegriffen wird. Wirksam, weil durch den Abgleich von Daten die Betriebe mit den hohen Nährstoffüberhängen gezielt ermittelt werden können. Meyer machte die Problematik anschaulich: wollte man nur die in Niedersachsen anfallenden 20 Millionen Tonnen Gärreste aus Biogasanlagen in Tanklastwagen laden, würde die Schlange der Tankwagen vom Nordpol bis zum Südpol reichen. Etwa doppelt so groß – 39 Millionen Tonnen – ist die Menge an Gülle, Tierkot und Gärresten, die in Niedersachsen über Güllebörsen und Güllevermittler, Transporteure, Makler, Maschinenringe und Lohnunternehmer überbetrieblich verbracht wird. „In den letzten 10 Jahren sind in Niedersachsen riesige Nährstoffdrehscheiben und überbetriebliche Nährstoffflüsse entstanden, die sehr schwer zu durchschauen sind. Diese Nährstoffflüsse müssen transparent gemacht werden. Dafür reichen die gegenwärtigen Gesetze nicht aus“ so Meyer.

Die Europäische Kommission hatte bereits vor zwei Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet, weil – nicht zuletzt im Nordwesten Niedersachsens – im Grundwasser Nitratwerte gemessen werden, die weit oberhalb des in Europa erlaubten liegen. Dass wir etwas tun müssen, wissen wir spätestens seit der letzten Evaluierung der Düngeverordnung im November 2012. Die Bundesregierung hat nach langen Jahren der zähen Abstimmung einen Entwurf zur Änderung des Düngegesetzes vorgelegt. Der ist Voraussetzung dafür, die dringend nötigen Änderungen in der Düngeverordnung erlassen zu können.

Für die niedersächsische Landesregierung ist wichtig, dass eine Gesetzgebung kommt, die einen vollständigen Überblick über die Nährstoffströme ermöglicht. Die Landesregierung begrüßt daher die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Einführung einer Hoftorbilanz. Es ist gut, dass auch Biogasanlagen erfasst werden. Darüber hinaus müssen aber auch alle Akteure, die Gülle, Kot und Gärreste vermitteln und verbringen, einbezogen werden.

Die Landesregierung begrüßt, dass künftig möglich sein soll, auf Daten zurückzugreifen, die bereits bei anderen Behörden vorhanden sind. Das erspart den Landwirten zusätzliche Meldungen, wurde deshalb auch vom Landvolk gefordert. Aber wir fordern, dass alle Daten in einem automatisierten Verfahren verarbeitet und abgeglichen werden können. Wir leben im digitalen Zeitalter. Dass Behörden nach wie vor personalintensiv Papierberge wälzen sollen, verhindert eine effiziente Kontrolle. Und die vorhandenen Daten müssen nicht nur von den für Düngung zuständigen Behörden genutzt werden können, sondern auch von den Wasser-, Bau-, Naturschutz- und Abfallbehörden. Schließlich: wir brauchen eine Gütesicherung von Wirtschaftsdüngern. Wir wollen ja, dass die Überschüsse in Weser-Ems in den Süden und Osten des Landes verkauft werden können. Aber dazu müssen die aufnehmenden Ackerbaubetriebe exakt wissen, was drin ist. Die Düngung von Pflanzen muss bedarfsgerecht geplant werden können.

In einem Punkt wandte sich Meyer allerdings gegen die Vorstellungen der Bundesregierung: „Die Doppeltberechnung der Kuhfladen auf der Weide ist fachlich Unsinn und würde gerade diejenigen Betriebe treffen, die nicht zur Überdüngung beitragen.“ Der Ball liegt nun beim Bundestag.

Mit Schockbildern gegen den Zigarettenkonsum

Bundesrat sieht Nachbesserungsbedarf Merkwürdiges Timing! Was hat sich der Bund dabei gedacht?…

Bundesrat sieht Nachbesserungsbedarf

Merkwürdiges Timing! Was hat sich der Bund dabei gedacht? Zigarettenpackungen sollen ab dem 20. Mai dieses Jahres 2016 den Vorschriften der EU-Tabakprodukterichtlinie 2014/40/EU entsprechen, so ist es dort vorgeschrieben. Das heißt, sie müssen größere gesundheitsbezogene Warnhinweise und hässliche Bildchen von Teerlungen und Raucherbeinen tragen. Dazu aber müssen die Verpackungsmaschinen in den Zigarettenfabriken umgestellt werden, sagt die Wirtschaft. Weil die Spezialmaschinenbauer aber nicht jeden sofort beliefern können, braucht die Wirtschaft, so sagt sie, eine Übergangszeit von etwa 15 Monaten. Natürlich wird sie diese Investitionen nicht in Angriff nehmen, bevor Rechtssicherheit besteht, also vollständig klar ist, was zu tun ist. Rechnen wir zurück: die entsprechenden Gesetze zur nationalen Umsetzung der EU-Tabakprodukterichtlinie hätten also bereits bis zum 20. Februar letzten Jahres beschlossen werden müssen. Sie wurden aber überhaupt erst jetzt von der Bundesregierung vorgelegt, und noch nicht einmal vollständig. Will der Bund die Tabakindustrie in Schwierigkeiten bringen? Kaum vorstellbar! Oder die Schuld für die Verzögerung den Ländern anhängen? Will sie die Umsetzung des EU-Rechts in Deutschland verschleppen?

Der Inhalt des jetzt vorgelegten Gesetzes bietet kaum Überraschungen. Wer die Diskussion um die EU-Richtlinie verfolgt hat, weiß, was im deutschen Gesetz stehen muss: Auf die Packungen sollen neue vergrößerte Warnhinweise und Schockbilder gedruckt werden, die wenigstens 65% der Oberfläche einnehmen müssen. Zusatzstoffe werden strenger reguliert. Erstmals wird es Regeln für E-Zigaretten geben, zur Produktsicherheit, zur Verpackungsgestaltung, zum Rückrufmanagement und zu den Inhaltstoffen. Außerdem soll die Werbung für E-Zigaretten verboten werden, wie sie schon jetzt für Tabakerzeugnisse verboten ist. Aber, um Missverständnissen vorzubeugen, mit denen auch wir via E-Mail konfrontiert wurden: Niemandem wird das „Dampfen“ der E-Zigaretten verboten, auch das Rauchen von Tabakerzeugnissen bleibt weiterhin erlaubt!

Niedersachsens Verbraucherschutzministerium hatte dennoch ein paar Ideen, wie man den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger noch weiter verbessern kann: Auch nikotinfreie E-Zigaretten müssen in die gesundheitsbezogenen Regelungen einbezogen werden, da die zum „Dampfen“ genutzten Aerosole gefährliche Substanzen enthalten, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen. Davon abgesehen fehlen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zahlreiche Regelungen zur Marktüberwachung, die im derzeit geltenden Recht vorgesehen sind. Es fehlen zudem noch einige Regelungen, die zur Umsetzung der EU-Richtlinie erforderlich sind. Vor wenigen Tagen wurde dem Bundesrat der Entwurf einer Verordnung vorgelegt, die einen Teil dieser Lücken abdeckt. Aber das kann noch nicht alles sein. Der Rest lässt auf sich warten. Wie schon gesagt: merkwürdiges Timing!

Mit dem Gesetzentwurf möchte die Bundesregierung die EU-Tabakproduktrichtlinie umsetzen. Er wird nun zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates und einer Gegenäußerung der Bundesregierung dem Bundestag zur Entscheidung zugeleitet.