Politische Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte
Veranstaltung des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates thematisiert Wahlrecht

- Memet Kilic, Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates, führt in die Bundeskonferenz ein
- „Niedersachsen packt an“ ist präsent und freut sich über das Interesse
- Ulrich Weinbrenner vom Bundesinnenministerium befasst sich mit gesellschaftlichem Zusammenhalt und Integration
- Das Podium greift Fragen aus den Impulsstatements auf
- Felix Krause begrüßt für die Landesvertretung
- Hier lebe ich, hier wähle ich- eine Kampagne für mehr Partizipation und Demokratie
Als politische Interessenvertretung der ausländischen Bevölkerung in Deutschland steht der BZI als Ansprechpartner für die Bundesregierung und den Bundestag zur Verfügung und arbeitet mit gesellschaftlich relevanten Organisationen auf Bundesebene zusammen.
Delegierte aus dem ganzen Bundesgebiet waren nach Berlin gereist, um über die Möglichkeiten der politischen Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte und weitere Themen zu diskutieren. Der Vorsitzende des BZI, Memet Kilic, verwies in diesem Zusammenhand auf ein von vielen Migrantenorganisationen unterstütztes Impulspapier. Darin wird festgestellt, dass es als Voraussetzung für eine wirkliche Partizipation zunächst einer nachhaltigen interkulturellen Öffnung der Gesellschaft, ihrer Organisationen und Institutionen bedarf. Auch müssen latenter Rassismus und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund konsequent sanktioniert werden.
Neben den im Impulspapier formulierten Ansprüchen – so zum Beispiel die Anerkennung, dass Deutschland ein vielfältiges Einwanderungsland ist, die Einrichtung eines nationalen Rates zur interkulturellen Öffnung sowie die Festlegung von Zielquoten für Migrantinnen und Migranten in Führungspositionen – forderte Kilic vor allem die Teilnahme aller Menschen mit Migrationshintergrund, die aus keinem EU-Land stammen, an den Kommunalwahlen: Während diese Menschen häufig seit langer Zeit in Deutschland leben, hier arbeiten, Steuern zahlen und das gesellschaftliche Leben mitbestimmen, so dürften sie die Zusammensetzung der politischen Gremien, die für die Entwicklung einer Kommune oder eines Stadtviertels verantwortlich sind, nicht beeinflussen. Das führte gerade in solchen Kommunen, in denen überdurchschnittlich viele Migrantinnen und Migranten ohne Wahlrecht leben, zu Legitimationsdefiziten.
An diesem Punkt setzten weitere Referenten an und berichteten von durchgeführten und geplanten Praxisbeispielen. Dr. Christian Pfeffer-Hoffmann vom Minor-Projektkontor beschrieb das Projekt „Vote D“, mit dem die Teilnahme von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bundestagswahl 2017 erhöht werden soll: Bereits bei der letzten Bundestagswahl waren rund 5,8 Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund wahlberechtigt – diese Zahl ist inzwischen weiter gestiegen. Jedoch liegt ihre Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen deutlich hinter der von Personen ohne Migrationshintergrund zurück.
Jüngst Eingebürgerte sind damit (neben Jugendlichen) die Personengruppe, für die am dringendsten Angebote zur Heranführung an das politische System Deutschlands und zur Aktivierung für die Beteiligung an Wahlen entwickelt werden sollten. Im Rahmen des Schwerpunktjahres „Partizipation“ wird das Projekt von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert und soll auch in Osnabrück erprobt werden.
Eine andere Zielgruppe wiederum hat das Projekt „Hier lebe ich. Hier wähle ich!“ im Fokus. Dabei werden explizit die Menschen angesprochen, die gar kein Wahlrecht in Deutschland besitzen. In symbolischen Wahlen, die in selbst organisierten Wahllokalen bei Migrantenvereinen und –organisationen stattfinden, können diese Menschen ihr Kreuz machen und ihre Meinung kundtun. Stimmzettel, Wählerregister, Wahllokal und Abläufe sind der „richtigen“ Wahl nachempfunden und die Erfahrung zeigt, dass diese symbolischen Wahlen von den nicht-stimmberechtigten Menschen durchaus sehr ernst genommen werden. Die Ergebnisse werden anschließend medienwirksam an die Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien übergeben, mit dem Hinweis: „Das hätten Stimmen für Sie sein können – bitte setzen Sie sich für unser Wahlrecht ein.“
Weitere Vorträge, Workshops und Diskussionen – unter anderem mit Mitgliedern der im Bundestag vertretenen Parteien – rundeten das Programm ab. Das Land Niedersachsen war mit einem Stand des Bündnisses „Niedersachsen packt an“ an der Veranstaltung beteiligt.
Das Bündnis, das als eine gemeinsame Initiative des DGB, der beiden christlichen Kirchen, der Unternehmerverbände Niedersachsen und der Niedersächsischen Landesregierung ins Leben gerufen wurde und zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden, den großen Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen, den im Landtag vertretenen Parteien, Unternehmen, Kammern, zahlreichen Verbänden und Einzelpersonen konkrete Maßnahmen für die Integration geflüchteter Menschen entwickelt, freute sich über das große Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz.
Insbesondere über die Best-Practice-Modelle sowie die landesweiten und dezentralen Integrationskonferenzen informierten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den anderen Bundesländern, in denen es bislang keine vergleichbaren Initiativen gibt. Da bei der kommenden Integrationskonferenz am 24. August in Hannover der Bereich der „Gesellschaftlichen Teilhabe“ thematisiert wird, haben sich viele Besucher der Konferenz in Berlin bereits dazu entschlossen, auch die Veranstaltung in Hannover zu besuchen.