Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz: „Staatstrojaner führt zum gläsernen Bürger!“
Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses und Entschließung finden keine Mehrheit

Der Bundesrat hat am 7. Juli 2017 umfangreiche Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht gebilligt und damit den Weg für weitreichende Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden freigemacht. Der Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses und eine kritische Entschließungsempfehlung des Verbraucherausschusses, was von Niedersachsen unterstützt wurde, fanden im Plenum keine Mehrheit.
Der ursprüngliche Gesetzesentwurf, welcher bereits am 10. Februar 2017 im Bundesrat auf der Tagesordnung stand, ist im Bundestag kurzfristig durch einen Änderungsantrag am 20. Juni 2017 im Rechtsausschuss des Bundestages um die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und die Online-Durchsuchung ergänzt worden.
Ebenso wie der Verbraucherausschuss des Bundesrates kritisierte Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz dieses Verfahren in ihrer Rede vor dem Bundesratsplenum. „Ein solches Vorgehen wird der erheblichen Bedeutung der neuen Überwachungsmöglichkeiten nicht gerecht! Das Fehlen einer vorherigen Beteiligung der Länder, der Verbände und sogar der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist nicht hinnehmbar“, so Niewisch-Lennartz. Vielmehr bedürfe es einer gewissenhaften Beteiligung gerade der Praxis, um eine angemessene Regelung für die Online-Durchsuchung zu finden.
Durch Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung können Strafermittler künftig verschlüsselte Kommunikation von Verdächtigen abfangen und die Speicher ihrer Rechner unbemerkt durchsuchen. Sie dürfen dafür eine Spionagesoftware verwenden. Die Online-Durchsuchung erlaubt es, unbemerkt aus der Ferne den Computer eines Verdächtigen nach Hinweisen auf Straftaten zu untersuchen. Auch über einen längeren Zeitraum. Damit kann nicht nur die Kommunikation des Betroffenen über sein Smartphone überwacht, sondern auf all seine gespeicherten Daten zugegriffen werden.
Niewisch-Lennartz verwies auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 2008 entschieden, dass der weitreichende Eingriff in das sog. Computer-Grundrecht, das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität von informationstechnischen Systemen, nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter in Betracht käme. Dazu zählten Leib, Leben und Freiheit der Person. Darüber hinaus auch solche Rechtsgüter, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates berühren oder die Grundlage der Existenz der Menschen. „Davon kann“, so Niewisch-Lennartz, „etwa bei der im Straftatenkatalog des § 100c Abs. 2 StPO enthaltenen gewerbsmäßigen Hehlerei oder der Geld- und Wertzeichenfälschung keineswegs die Rede sein“. Eine praxistaugliche technische Umsetzung, die den Verfassungsvorgaben entspricht, bedürfe eines längeren Vorlaufs. „Bei dem so wichtigen Thema der Online-Durchsuchung dürfen nicht aus grundloser Eile elementare Grundrechtspositionen gefährdet werden“, so Niewisch-Lennartz.
Das Gesetz enthält darüber hinaus eine Erweiterung des Fahrverbots als Nebenstrafe auch für Taten, die keinen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr haben. Zudem schränkt das Gesetz den Richtervorbehalt für die Entnahme von Blutproben ein. Künftig können auch Staatsanwaltschaft oder Polizei beim Verdacht bestimmter Verkehrsdelikte eine Blutprobe zur Beweissicherung anordnen.
Zahlreiche weitere Änderungen sollen Gerichte und Staatsanwaltschaften entlasten, um eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten. Unter anderem sollen Vernehmungen zur besseren Dokumentation vermehrt als Video aufgezeichnet werden.
Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Es soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.