Winterpaket der EU bei frühlingshaften Temperaturen im Bundesrat
„Clean Energy for all Europeans“-Paket auf 1000 Seiten

Ende November letzten Jahres veröffentlichte die EU-Kommission ihr Winterpaket zur Energieunion, knapp 1000 Seiten umfassende Legislativvorschläge und flankierende Maßnahmen im Rahmen des sogenannten „Clean Energy for all Europeans“-Pakets.
Der Bundesrat hat in seiner jüngsten Sitzung Stellung genommen zu einer begleitenden Mitteilung der Kommission sowie inhaltlich zu zwei ersten Verordnungen und formalrechtlich zu einer Dritten. Zunächst ging es also überblicksartig um Regelungen des Pakets, das die Energieeffizienz, erneuerbare Energien, die Gestaltung des Strommarktes, die Versorgungssicherheit und die Governance-Regeln für die Energieunion betreffen sowie die insgesamt erwarteten wirtschaftlichen Effekte.
Mitteilung der Kommission: Saubere Energie für alle Europäer
In der Mitteilung präsentiert die Kommission Vorschläge für Rechtsvor-schriften und flankierende Maßnahmen, die darauf abzielen, die Wirtschaft zu modernisieren und Investitionen in den Sektoren mit Energiebezug zu erhöhen.
Die drei Hauptziele sind:
- Vorrang für Energieeffizienz: Die Kommission hält für die EU als neues verbindliches Energieeffizienzziel von 30 % bis 2030 für angemessen. Dies bedeutet eine neuerliche Steigerung gegenüber dem bisherigen Ziel von mindestens 27 %. Erreicht werden soll es durch Ausdehnung der Energiesparverpflichtung der Energieeffizienzrichtlinie, Steigerung der Renovierungsraten im Gebäudebestand unterlegt durch eine Europäische Gebäudeinitiative der Europäischen Investitionsbank und der Mitgliedsstaaten sowie durch einen Ökodesign-Arbeitsplan 2016-2019 und eine Reihe produktspezifischer Maßnahmen.
- Erreichen einer globalen Führungsrolle bei den erneuerbaren Energien durch ein EU-weites Ziel von mindestens 27 % für den Anteil der erneuerbaren Energien in. Dieses Mindestziel ist nur verbindlich auf EU-Ebene und wird nicht auf national verbindliche Ziele runtergebrochen.
- Ein faires Angebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher durch bessere Information über ihren Energieverbrauch und ihre Kos-ten. Zudem soll es ihnen erleichtert werden, ihre eigene Energie zu er-zeugen, zu speichern, zu teilen, zu verbrauchen oder zu verkaufen. Die Verbraucher sollen dadurch künftig auf eine größere Auswahl an Anbietern zugreifen können. Ferner bekommt Energiearmut zukünftig eine größere Aufmerksamkeit.
Der Bundesrat begrüßte in seinem Plenum diese Initiative der EU-Kommission, übte aber auch Kritik an einigen Punkten. So stellt der Bundesrat fest, dass die gesetzten Zielmarken zu wenig ambitioniert sind, um das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen und die Erderwärmung auf max. 2°C zu begrenzen. So liege der Erneuerbaren-Anteil hinter den realistischen Möglichkeiten zurück. In diesem Zusammenhang stellt der Bundesrat auf Initiative Niedersachsens fest, dass die Beibehaltung des Einspeisevorrangs für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien unabdingbar und notwendig für das Erreichen der klimapolitischen Ziele der EU ist. Dabei müssten die Rahmenbedingungen der Fördersysteme für Investoren von Erneuerbare-Energien-Anlagen langfristige Investitions- und Rechtssicherheit gewähren.
Vorschlag für ein Governance-System der Energieunion
Ein weiterer Teil des Winterpakets ist der Verordnungsvorschlag über das Governance-System der Energieunion. Dieser soll bestehende Planungs- und Berichterstattungspflichten zusammenführen sowie einen gemeinsamen Rahmen für das Erreichen der Energie- und Klimaziele der EU bilden, indem eine integrierte Planungs- und Berichtssystematik eingeführt werden soll. Er adressiert also die nationale Klimaschutz- und Energiepolitik der einzelnen Mitgliedstaaten sowie deren Berichtspflichten. Auch hierzu hat der Bundesrat umfangreich Stellung genommen.
Vorschlag für Versorgungssicherheit und Risikovorsorge im Elektrizitätssektor
Der letzte inhaltlich debattierte Teil des Winterpakets ist ein Verordnungsvorschlag, der einen einheitlichen Rahmen für nationale und grenzüberschreitende Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Strommarkt schaffen soll.
Nach den Angaben der Kommission besteht die Möglichkeit kurzfristiger, zum Beispiel witterungsbedingter, durch Cyberattacken oder Brennstoffknappheit ausgelöster, nicht marktlicher Störungen und Versorgungsengpässe mit grenzübergreifendem Charakter, die eines konzertierten Ansatzes zur Vorbeugung und Bewältigung bedürften.
Durch die Einrichtung regionaler Betriebszentren soll eine bessere Zusammenarbeit der Übertragungsnetzbetreiber auf regionaler Ebene ermöglicht werden. Verpflichtende nationale Risikovorsorgepläne einschließlich Mechanismen zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch sollen die Risikovorsorge im Stromsektor verbessern. Die Schaffung von europäischen Methoden zur Identifizierung von Krisenszenarien soll durch die Mitgliedstaaten und den Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber erfolgen. Dieser soll darüber hinaus eine Methode zur kurzfristigen Abschätzung der Leistungsbilanz für die Angemessenheit der Stromerzeugung entwickeln. Durch die Koordinierungsgruppe „Strom“ soll ein Rahmen für eine systematischere Überwachung der Versorgungssicherheit geschaffen werden.
Der Bundesrat bekräftigte im Plenum, dass die Versorgungssicherheit ein für alle gleich verfügbares Gut der nationalen öffentlichen Daseinsvorsorge bleiben muss. Die vorgesehene Einrichtung der regionalen Betriebszentren und die teilweise Übertragung nationaler Kompetenzen im Bereich der Energieaufsicht auf diese Betriebszentren lehnt er allerdings ab. Schließlich sei die das hohe Niveau der Versorgungssicherheit in Deutschland maßgeblich darauf zurück zu führen, dass die Verantwortung hierfür und die Entscheidungsbefugnis über die Netzführung in einer Hand liegen. Ein weiterer Kritikpunkt in der umfangreichen Stellungnahme des Bundesrates ist die vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur solidarischen Zusammenarbeit auf regionaler Ebene, soweit sie zu einer einseitigen Belastung energieinfrastrukturstarker Länder mit hohem Grad an Versorgungssicherheit führen kann.
Die Fortsetzung des Winterpakets folgt im nächsten Bundesratsplenum am 12.Mai. Im Mai nimmt auch der EU-Ministerrat Stellung zum Winterpaket.