Novellierung des Düngerechts wichtigen Schritt weiter
Länder warten auf Verordnung zur Stoffstrombilanz

Zitterpartie! Lang genug hatte es gedauert – geschlagene vier Jahre – nachdrücklich musste Brüssel drohen, bis sich die Bundesregierung durchringen konnte, das Düngerecht zu novellieren. Zwei sehr maßgebliche niedersächsische Abgeordnete, MdB Dr. Wilhelm Priesmeier und MdB Franz- Josef Holzenkamp, rangen im Deutschen Bundestag um die Details. Zusammen mit Wortführern der SPD-, CDU- und Grün-geführten Agrarressorts der Bundesländer wurde dann ein Kompromiss geschmiedet. Für niemanden ein Wunschergebnis, aber für alle ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Bundesrat konnte jetzt diesem bis zuletzt bis ins Detail diskutierten und abgestimmten Kompromiss zustimmen und damit ein langes Ringen erfolgreich abschließen.
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel im Bundesrat: „Sie alle kennen den neuen Nitratbericht der Bundesregierung, der für Deutschland an 28 % der Messstellen im Teilmessnetz Landwirtschaft Grenzwertüberschreitungen von mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter feststellt, in meinem Land Niedersachsen sogar 38 %. Was muss geschehen? Wir brauchen eine bessere Steuerung und Überwachung der Nährstoffströme, um unsere Gewässer vom Grundwasser bis zu den Meeren wirkungsvoll vor Nährstoffeinträgen zu schützen. Mit dem nun vorliegenden Kompromiss haben sich Bund und Länder … auf einen Kompromiss geeinigt, der den Landwirten weiterhin ein ökonomisch tragfähiges Wirtschaften erlaubt. Für die Landwirte wird … auch künftig eine pflanzenbedarfsgerechte Düngung möglich sein. Landwirte sind allerdings in Zukunft stärker gefordert, Stickstoff effizienter einzusetzen und Nitrat- und Ammoniakverluste zu minimieren. Überdüngung kann nicht toleriert werden!“
An der bis zum Schluss schwierigen Geburt der neuen Düngeverordnung war Niedersachsen – auf den ersten Blick – nicht ganz unschuldig. An dem zwischen den Politikern schon im Januar abgesprochenen Kompromiss sollte eigentlich nicht gerührt werden, um den Erfolg nicht zu gefährden. Im zuständigen Ausschuss des Bundesrates sollten Anträge eigentlich nicht gestellt werden. Oder allenfalls redaktioneller Art sein. Und dennoch fanden wir uns am Ende der Ausschusssitzung mit rund 20 Änderungsbefehlen, auch substantieller Art, wieder. Auch aus Niedersachsen.
Damit der erste Blick nicht täuscht, muss man das erklären. Wir mussten uns dagegen wehren, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium nachträglich den Kompromiss so verändert hatte, dass künftig mehr Gülle ausgebracht werden dürfte als nach geltendem Recht. Das war so nicht gewollt. Zum anderen mussten wir auf eine rechtssichere Abgrenzung der „roten Gebiete“ achten, also derjenigen belasteten Gebiete, in denen die Bundesländer zusätzliche Maßnahmen erlassen können. Minister Wenzel dazu im Bundesrat: „Mit den Formulierungen im vorgelegten Regierungsentwurf war das nicht gewährleistet und hätte nach Einschätzung der Juristen eine umfangreiche Klagewelle ausgelöst. Ich bin froh, dass sich Bund und Länder in den Verhandlungen auf einen Kompromiss einigen konnten.“ Zwei Plenaranträge, die gemeinsam von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg, also grün, rot und schwarz geführten Agrarressorts eingebracht wurden, konnten die Kuh vom Eis holen.
Der Prozess der Novellierung des Düngerechts ist damit einen wichtigen Schritt weiter, aber noch nicht abgeschlossen. Es fehlt noch eine Verordnung, die eine Stoffstrombilanz regelt, die im neuen Düngegesetz erstmalig vorgesehen wird. Der Entwurf dazu wird derzeit im Bundeslandwirtschaftsministerium erarbeitet und soll sehr bald vorgelegt werden. Und, so Minister Wenzel im Bundesrat: „Ob die novellierte Düngeverordnung letztlich den Anforderungen der Europäischen Kommission genügt und zur Einstellung des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens führt, bleibt abzuwarten.“ In jedem Fall seien in den Ländern weitere Maßnahmen erforderlich, um das Problem der hohen Grundwasserbelastungen in den Griff zu bekommen. „Unser Trinkwasser hängt zu 85 % von den Grundwasserreserven ab. Wenn Wasserversorger aufwendig reinigen und verschneiden müssen, könnten die Gebühren für sauberes Wasser massiv ansteigen.“
Die Landwirtschaft in Niedersachsen ist der Hauptverursacher von Nitratbelastungen im Grundwasser: 38 % aller Messstellen im neuen Nitratmessnetz Niedersachsen überschreiten den zulässigen Nitrat-Schwellenwert von 50mg/L – vor allem in den viehstarken Regionen Nordwestniedersachsens. Laut Bundesumweltamt beträgt der Stickstoffüberschuss in der Gesamtbilanz Deutschlands 98 kg N/ha.
Stickstoff führt zu Eutrophierung und Versauerung von Gewässern und Böden, zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon, es schädigt die menschliche Gesundheit. Nitrat in Trinkwasser und Nahrungsmitteln steht im Verdacht, Krebs zu verursachen, Lachgas – auch eine Stickstoffverbindung – trägt zum Klimawandel bei. Seit Einführung des Haber-Bosch-Verfahrens zur Erzeugung künstlicher Stickstoffdünger hat sich die Freisetzung reaktiver Stickstoffverbindungen weltweit verzehnfacht. Zwei Drittel davon stammen aus der Landwirtschaft. „Die zu hohen Einträge von Stickstoffverbindungen sind eines der großen ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit“ schreibt der Umweltrat in seinem Sondergutachten.
Niedersachsen liegt bei diesen Stickstoffeinträgen weit über dem Bundesdurchschnitt, und das ist vor allem auf die Tierhaltung im Nordwesten des Landes zurückzuführen. Weil dort im Grundwasser Nitratwerte gemessen werden, die weit oberhalb des in Europa erlaubten liegen, hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.