Gute Arbeit und Zusammenhalt 4.0 – Gemeinsam den digitalen Wandel gestalten
MP Stephan Weil: Digitalisierung ohne Breitbandausbau nicht möglich

- Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles befasst sich mit dem digitalen Wandel
- Digitaler Wandel ist auch ein Thema für Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil
- Die Gäste des Diskussionsabends in Berlin
- Niedersachsens Bevollmächtigter Michael Rüter bei seinem Grußwort
- Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer NiedersachsenMetall, bei einem Beitrag
- Bundesministerin Andrea Nahles sieht Chancen im digitalen Wandel
- Prof. Dr. Kerstin Jürgens, Vorsitzende der Kommission „Arbeit der Zukunft“ der Hans- Böckler- Stiftung
- MP Stephan Weil und BM Andrea Nahles im direkten Austausch
- Dr. Volker Schmidt skizziert die künftige Gestaltung des digitalen Wandels
- Die Moderatorin Vanessa Krukenberg interviewt Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil
- Das Podium ist besetzt
- Ein Empfangsapplaus für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles
Am 26. Januar befasste sich ein prominent besetztes Podium im Rahmen der Reihe „Ross trifft Bär“ mit den Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie gute Arbeit und Zusammenhalt 4.0 in Deutschland erreicht werden können.
In ihrem Eröffnungsstatement wies Arbeitsministerin Andrea Nahles auf das vom BMAS veröffentliche Weißbuch Arbeiten 4.0 hin, das die Schlussfolgerungen eines breiten gesellschaftlichen Dialoges zusammenfasst und Handlungsempfehlungen formuliert. Dabei war es ihr wichtig, drei Punkte besonders hervorzuheben: Erstens sei die Feststellung wichtig, dass es durch Automation und Digitalisierung nicht weniger Arbeit gibt, dass es allerdings andere Arbeit gibt. Darauf müssten sich alle Beteiligten – Arbeitgeber, Arbeitnehmer, aber auch politische Akteure – einstellen. Zweitens dürften insbesondere die Arbeitnehmer nicht mit den neuen Technologien allein gelassen werden, sodass es bei ihnen zu einem „Das schaff ich nicht“-Gefühl und in der Konsequenz einem Verdrängen kommt.
Kurz: Die Menschen dürfen nicht mit den Herausforderungen allein gelassen werden. Dazu wurden bereits verschiedene Programme von Bund und Ländern auf den Weg gebracht, um Angebote zur Aus- und Weiterbildung zu machen. Drittens müssten auch Fragen der Flexibilisierung von Arbeitszeit in engen Austausch mit den Sozialpartnern diskutiert werden, allerdings ohne dass die Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes außer Kraft gesetzt werden: Im Zeitalter der Digitalisierung und von globalen Märkten sind Arbeitgeber mitunter darauf angewiesen, dass Tätigkeiten außerhalb der „gewöhnlichen Arbeitszeit“ ausgeführt werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Unternehmen mit Partnern in unterschiedlichen Zeitzonen zusammenarbeitet.
Umgekehrt kommt es aber auch zunehmend vor, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr zeitliche Flexibilität und Selbstbestimmung wünschen, da sie bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten nicht mehr räumlich und teilweise weniger zeitlich festgelegt sind. Hier eröffnet die Digitalisierung Freiräume, die von den Arbeitnehmern individuell genutzt werden. Nahles kündigte in diesem Zusammenhang an, dass in Modellvorhaben sogenannte Lern- und Experimentierräume geschaffen werden. Dabei werden in ausgewählten Betrieben zwischen den Sozialpartnern tarifvertraglich vereinbarte Kompromisse für den Zeitraum von zwei Jahren getestet, um so Erkenntnisse für die nächsten praktischen Schritte zu gewinnen.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil lenkte in seinem Beitrag den Fokus auf den technologischen Wandel und die sich daraus ergebenden Herausforderungen. Der bei der Hannover-Messe 2011 erstmals öffentlich diskutierte Begriff der „Industrie 4.0“ habe sich in wenigen Jahren zu einer „Wirtschaft 4.0“ und damit auch zu einem „Leben 4.0“ weiterentwickelt. Er wies in diesem Zusammenhang auf eine Untersuchung des DGB hin, lautet derer durch zunehmende Automatisierung in den letzten 30 Jahren etwa 30 % aller Industriearbeitsplätze weggefallen seien. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum dann auch wieder andere Arbeitsplätze entstanden.
Auch mit der Digitalisierung sind solche Veränderungen zu erwarten, allerdings werden die Zeitfenster durch den technologischen Wandel kleiner. Niedersachsen ist dabei, wie auch alle anderen Bundesländer, in allen Bereichen des täglichen Lebens betroffen. Dies verdeutlichte Weil an drei Beispielen: Digitalisierung ist ohne einen flächendeckenden, leistungsfähigen Breitbandausbau nicht möglich. Sowohl Bund als auch Land unternehmen dabei große Anstrengungen, aber auch dabei werden die handelnden Akteurinnen und Akutere häufig von der schnellen Entwicklung überholt: Während die Bundesregierung im Jahr 2009 noch bei einem Mbit als „mittlerweile angemessene“ Breitbandverbindung sprach, setzte sich die niedersächsische Landesregierung im Jahr 2013 das Ziel, 30 Mbit als Standardversorgung zu erreichen. Nur zwei Jahre später legte sich die Bundesregierung bei ihrer Förderung wiederum auf ein Ausbauziel von 50 Mbit fest und Ende 2016 verkündete ein niedersächsischer Energie- und Telekommunikationskonzern, in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro zu investieren, um seinen Kunden einen Breitbandanschluss bis zu 1000 Mbit anbieten zu können.
Als zweiten wichtigen Aspekt führte Weil die digitale Bildung und Fortbildung an: Ziel dabei muss es sein, Anwendersicherheit herzustellen und das schon mit der Schulbildung. Dies beinhaltet auch eine kritische Anwendungskompetenz, d.h. auch die eigene Urteilskraft muss geschult und gestärkt werden. Aufgrund der fortwährenden Neuentwicklungen muss es dabei möglich sein, diese Weiterbildungen verstärkt „on the job“ und in Hochschulen durchzuführen. Letztere müssten sich mit neuen Angeboten auf Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen und für sie öffnen.
Zuletzt sprach er auch das Thema Datensicherheit an, einen Bereich, mit dem sich insbesondere kleinere Unternehmen nicht immer ausreichend befassen können, weil ihnen dazu Wissen und Möglichkeiten fehlen. Hierbei unterstützt das Land mit gezielten Maßnahmen, die häufig Unternehmen überhaupt erste konzeptionelle Ideen in Bezug auf die Digitalisierung aufzeigen.
Aus einem anderen Blickwinkel betrachtete Prof. Kerstin Jürgens das Thema. Sie ist Vorsitzende der Kommission „Arbeit der Zukunft“ der Hans-Böckler-Stiftung, in der Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und betrieblicher Praxis Handlungsempfehlungen für die Herausforderungen erarbeiten sollen, die sich für die Arbeitswelt durch demografischen Wandel, Feminisierung, Digitalisierung und Werte ergeben. Sie stellte zunächst fest, dass die Digitalisierung ganze Branchen, Geschäftsmodelle und gleichsam kleine und große Unternehmen beeinflusst und dass man daher die Frage aufwerfen muss, auf was die neuen Technologien eigentlich treffen.
In einer gesellschaftlich ohnehin unruhigen Zeit komme nun mit der Digitalisierung eine neue Technologie auf die Menschen zu. Bei den Menschen, die schon jetzt gefühlt außen vor sind, weil sie glauben, sie könnten mit den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr Schritt halten, verursachen die neuen Technologien Angst, da sie noch „on top“ zum normalen Leben hinzukommen. Für diese verunsicherten Menschen muss der Staat starke Antworten geben und einen Rahmen und feste Strukturen vorgeben. Auch müssten Zeit und Geld in Bildungsangebote investiert werden, denn nur damit könne den Menschen die Angst vor „dem Neuen“ genommen werden.
Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, brach die Wünsche seiner Branche auf drei Schlagwörter herunter: Breitband – Bildung – Bares. Er unterstützte das Argument von Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil, dass die Digitalisierung von Unternehmen nur durch eine leistungsstarke Breitbandversorgung ermöglicht wird. Wenn ein Unternehmen eine Nacht einplanen muss, um digitale Vorlagen eines Kunden auf die eigenen Server laden zu können, so müsse man sich nicht wundern, wenn diese Unternehmen wegen dieser Standortnachteile ihre Firmensitze verlagerten.
Im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern berichtete Schmidt von negativen Erfahrungen, die sein Verband hatte machen müssen: So habe es seitens der Arbeitnehmer nur ein geringes Interesse an einem zweijährigen, außerberuflichen Weiterbildungsprogramm gegeben, obwohl dieses über einen Stipendientarifvertrag mit Rückkehrrecht in die alte Anstellung abgesichert war. Hier habe scheinbar eine zu große Angst bestanden, dass während der langen Abwesenheit betriebliche Veränderungen eintreten könnten und dass die Abwesenheit sich dann negativ auf die weitere Anstellung auswirken könnte.
Insofern plädierte auch Schmidt für eine berufsbegleitende Weiterbildung in Teilzeit. Letztlich formulierte er den Wunsch, dass Unternehmen mehr Wagniskapital zur Verfügung gestellt werden müsse. Hier bestünde das Paradoxon, dass es Unternehmen aufgrund der niedrigen Zinsen eigentlich gut möglich sein müsste, an Finanzmittel für Investitionen zu kommen. Allerdings fehle den Banken geschultes Personal, das den Sinn und Zweck von Zukunftsinvestitionen im Bereich der Digitalisierung fachkundig beurteilen kann. Daher komme es häufig nicht zu den gewünschten Investitionen, weshalb die Unterstützung durch die Politik wünschenswert wäre.
Letztlich waren sich alle Diskutanten einig: Nur mit guter Aus- und Weiterbildung wird es möglich sein, die Herausforderungen und Chancen des digitalen Wandels nicht nur gemeinsam zu nutzen, sondern auch zu gestalten.
Fotos: Yorck Maecke, Berlin, für die Landesvertretung Niedersachsen