Direktzahlungsdurchführungsgesetz: was steckt dahinter?
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer will Veränderungen

750 Millionen Euro Jahr für Jahr: das ist eine Summe, mit der man eine Menge Gutes tun könnte für mehr Nachhaltigkeit und mehr Tierwohl in der Landwirtschaft. Indem man beispielsweise den Bau tiergerechter Ställe fördert, die Weidehaltung der Milchkühe, die Pflege des Grünlands oder die Digitalisierung der Landwirtschaft. Oder auch indem man Prämien dafür zahlt, dass Schweine ihre Ringelschwänzchen behalten. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer fordert, dass jährlich 750 Millionen Euro für die Entwicklung einer nachhaltigen und tiergerechten Landwirtschaft ausgegeben werden. Die Entscheidung darüber aber liegt bei den Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag.
750 Millionen Euro Jahr für Jahr: das ist viel, würde auch Herrn Schäubles „schwarze Null“ nicht gefährden. Denn das Geld kommt von der Europäischen Union, ist also schon da. Es wird allerdings falsch ausgegeben. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer will dies korrigieren und hat deshalb den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes im Bundesrat vorgelegt. Damit soll die Rechtsgrundlage geschaffen werden, eine im EU-Recht vorhandene Möglichkeit zur Umschichtung der EU-Mittel zwischen zwei Strukturfonds voll auszuschöpfen. Deutschland nutzt diese Möglichkeit bislang nur sehr begrenzt. Das EU-Recht lässt eine Umschichtung von bis zu 15 % der Mittel zu. Deutschland schichtet lediglich 4,5 % der Mittel um, das sind 230 Millionen Euro. Minister Meyer fordert, den vollen Umfang der Umschichtung – also 15 % oder 750 Millionen Euro – künftig auch in Deutschland zu nutzen.
Zum Hintergrund: Die Europäische Union zahlt Deutschland jährlich 6,3 Milliarden Euro aus zwei Strukturfonds für die Landwirtschaft: 1,3 Milliarden Euro kommen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER, sog. „2. Säule GAP“). Damit kann man gezielt all die nützlichen Dinge fördern, die oben angedeutet wurden. Der weitaus größere Batzen aber, jährlich rund 5 Milliarden Euro, stammt aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL, sog. „1. Säule GAP“) und wird – wie mit der Gießkanne – breitflächig verteilt. Wer eine landwirtschaftlich genutzte Fläche besitzt, bekommt Geld. Unabhängig davon, ob er bedürftig ist oder nicht, und unabhängig davon, ob er seine Flächen im Sinne der Gesellschaft bewirtschaftet oder bloß für das eigene Portemonnaie. Die vor vielen Jahren von der Europäischen Kommission mutig verkündete – und richtige – Parole, öffentliche Gelder an die Landwirtschaft nur noch für öffentliche Leistungen auszugegeben, wurde zwischenzeitlich bis zur Unkenntlichkeit kaputtgeredet. Nach wie vor gehen 80 % der Gelder an die 20 % größten Betriebe, aber nicht dorthin, wo das Land im Sinne gesellschaftlicher Ziele bewirtschaftet wird.
Grünlandförderung, Ringelschwanzprämie: das ist alles nichts Neues. Diese Maßnahmen – und viele andere mehr – werden bereits heute durch das Landesprogramm PFEIL gefördert, mit dem Niedersachsen das europäische ELER-Programm umsetzt. Aber mit der Umschichtung von 15% der EGFL-Mittel in das PFEIL-Programm könnte man diese Maßnahmen ausweiten. Und weitere sinnvolle einführen, für die bisher kein Geld übrig ist. Nur als Gedankenanstoß: Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat in seinem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung‘“ geschätzt, dass für den Umbau der derzeitigen Nutztierhaltung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl 3 bis 5 Milliarden Euro jährlich erforderlich sind. Auch der Wissenschaftliche Beirat fordert deshalb die Umschichtung der Mittel aus dem EGFL in die ELER-Programme.