Deutschkurse für Geflüchtete – Niedersächsische Unternehmen packen an
Ideen für unternehmerisches Engagement

- Niedersachsens Bevollmächtigter Michael Rüter begrüßt die Gäste des Abends
- Dr. Uta Dauke, Vizepräsidentin des BAMF, bei ihrem Impuls
- Michael Rüter mit Teilnehmern des Projektes „Ich spreche deutsch“
- Das Podium hat Platz genommen
- Die Gäste sind interessiert
- Dr. Uta Dauke, berichtet aus der Arbeit des BAMF
Am Ende wurde es eine muntere Diskussion, sodass es nicht einmal den Hausherrn, Niedersachsens Bevollmächtigten Michael Rüter, auf dem Platz hielt: Bei einer Kooperationsveranstaltung der Landesvertretung Niedersachsen beim Bund mit der TUI Stiftung und der Deutschlandstiftung Integration wurde anhand praktischer Beispiele erläutert, wie sich Unternehmen mit geringem Aufwand an der Integration von geflüchteten Menschen beteiligen können. Dabei profitieren nicht nur die Geflüchteten, sondern in besonderem Maße auch die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da ihnen die ehrenamtliche Arbeit mit den Menschen aus anderen Kulturkreisen ganz andere Perspektiven eröffnet.
Zunächst führte Dr. Uta Dauke, die Vizepräsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), den Gästen vor Augen, vor welchen Herausforderungen ihre Behörde seit dem Herbst 2015 stand: Wurden dort im Jahr 2010 noch etwa 50.000 Asylanträge bearbeitet, so waren es im Jahr 2016 knapp 750.000 Anträge. Das Personal wurde bis heute vervierfacht und es wurden 45 neue Standorte eröffnet. Sie warb dafür um Verständnis, dass der Staat in so einer Ausnahmesituation zunächst nur Unterkunft, Versorgung und grundlegende Integrationsmaßnahmen aufkommen kann. Inzwischen sei die Zahl der vom BAMF angebotenen Integrationskurse aber deutlich erhöht worden, sodass in diesem Jahr voraussichtlich 430.000 Personen einen Kurs zum Spracherwerb und zur Orientierung in der Arbeitswelt belegen können. Gern würde sie auch noch mehr Angebote schaffen, aber leider stünde auch ihre Behörde vor dem Problem, dass sich keine ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer mehr finden lassen – die Nachfrage nach diesem Personal sei so groß, dass der „Markt“ schlichtweg leergefegt sei. Mit einem Verweis auf Kennedys berühmtes Zitat „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst“ begrüßte sie daher das Engagement der niedersächsischen Unternehmen, die zusammen mit ihren Mitarbeitern bei der Integration von Geflüchteten helfen.
Wie so etwas praktisch erfolgen kann, das beschrieben die Geschäftsführerin der TUI Stiftung, Elke Hlawatschek, und Ferry Pausch, Geschäftsführer der Deutschlandstiftung Integration: Gemeinsam haben die beiden Stiftungen das Projekt „Ich spreche deutsch.“ ins Leben gerufen. Dabei organisieren die Stiftungen einerseits Sprachkurse, in denen Freiwillige Geflüchteten erste Deutschkenntnisse vermitteln, andererseits wird in Zusammenarbeit mit dem Cornelsen-Verlag ein kostenloses Lehrbuch zur Verfügung gestellt. Davon wurden seit Beginn des Projekts 30.000 Exemplare an ehrenamtlich tätige Lehrerinnen und Lehrer verschickt. In einem weiteren „Corporate Volunteering“-Modellprojekt wurden etwa 300 Geflüchtete von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der TUI am Standort Hannover unterrichtet.
Zehn Wochen lang fanden zwei Mal wöchentlich Sprachkurse statt. Die ersten Erfahrungen damit werden derzeit evaluiert, aber schon jetzt lässt sich feststellen, dass sowohl Geflüchtete als auch Lehrende von dem Projekt profitiert haben. Das lebendige Beispiel dafür waren Baryalai Khamosa und Hasez Mubarak, zwei Flüchtlinge aus Afghanistan beziehungsweise aus dem Sudan. Zusammen mit ihren Dozenten waren sie nach Berlin gekommen und erzählten sichtlich stolz über sich selbst und den Kurs – natürlich auf Deutsch. Auch die beiden Lehrenden berichteten über ihre Erlebnisse: Für Angelina Emig war das Projekt die Initialzündung, sich ehrenamtlich zu engagieren.
Bei den Bildern, die täglich in den Medien zu sehen waren, hatte sie schon länger die Überlegung gehabt, sich aktiv einzubringen. Als sie von dem Modellprojekt bei ihrem eigenen Arbeitgeber erfuhr, war es für sie dann schnell klar, dass sie sich beteiligen würde. Und im Nachhinein erfreut es sie, die vormals fremden Menschen kennengelernt zu haben und mit dem Unterricht einen kleinen Beitrag zu deren Integration leisten zu können. Ähnlich ging es Julian Reese, der sich von der Arbeit mit den Flüchtlingen auch ein Stück weit „geerdet“ fühlte. Dies beschrieb er mit eindringlichen Worten: „Als in Deutschland geborener, junger Mensch Mitte zwanzig hat man ganz andere Probleme. Da stellt man sich die Frage, ob das Cover für das neue Smartphone schwarz oder silber sein soll. Die Flüchtlinge hatten sich häufig die Frage zu stellen: Flüchte ich in ein anderes Land oder sterbe ich? Da wird man schon nachdenklich“.
Für Astrid Westermann, Leiterin der Personalentwicklung bei Axel Springer und selbst Lehrende bei „Ich spreche Deutsch.“, ist es auch ein Pluspunkt für Unternehmen, sich auf diese Weise einzubringen. Einerseits könnte ein derartiges gemeinsames Projekt die Bindung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber festigen, andererseits macht dieses Engagement Unternehmen für Berufseinsteiger noch einmal besonders attraktiv. Aus diesem Engagement heraus haben Mitarbeiter eigens eine App entwickelt, mit Hilfe derer Flüchtlinge mit ihren Smartphones die deutsche Sprache lernen können.
Ähnlich positive Erlebnisse konnte auch Andreas Kremer vom Osnabrücker Kommunikationsdienstleister KiKxxl berichten. Er hatte sich im Herbst 2015 mit anderen Unternehmern aus der Region die Frage gestellt, wie Unternehmen schnell und unbürokratisch helfen könnten. Ihnen war klar, dass die Integration der Flüchtlinge „keine Sache von sechs Wochen“ sein werde. Da der Spracherwerb als Voraussetzung für eine gesellschaftliche Teilhabe ist und über einen Bekannten der Kontakt zu den beiden Stiftungen zustande kam, entschied er sich schnell, das Projekt „Ich spreche Deutsch.“ in seinem Unternehmen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszuprobieren. Besonderes Highlight zum Ende des Kurses war ein gemeinsames Essen, dass Lernende und Lehrende gemeinsam in der Küche der Betriebskantine zubereiteten.
Alle Beteiligten berichteten also nur positiv über die Beteiligung an den Sprachkursen. Gleichzeitig bemängelten sie jedoch, dass es keine einheitliche Internet-Plattform gibt, über die sich Interessierte zielgenau über Angebote und Bedarfe in den jeweiligen Regionen informieren können. Hier hakte wiederum Dr. Dauke vom BAMF ein, da in ihrer Behörde bereits an einer solchen Plattform gearbeitet wird. Für Niedersachsen, so konnte Staatssekretär Rüter informieren, bestehen derartige Angebote bereits. Darüber hinaus gibt es bei allen größeren Städten sowie den Landkreisen in Niedersachsen Integrationsstellen, die für Erstanfragen zur Verfügung stehen.
Eine weitere, sichere Informationsquelle sei natürlich auch das Bündnis „Niedersachsen packt an“: In dieser gemeinsamen Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der beiden christlichen Kirchen, der Unternehmerverbände Niedersachsen und der Niedersächsischen Landesregierung haben sich inzwischen mehr als 2700 Institutionen und Einzelpersonen zusammengeschlossen. Ziel ist es, besonders vordringliche Fragen wie die Sprachförderung, die Arbeitsmarktintegration, freiwilliges Engagement, Wohnen und Leben sowie die politische und gesellschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen in Niedersachsen zu bearbeiten und substantiell zu untermauern. Damit sollen Maßnahmen in der Flüchtlingshilfe gebündelt und die haupt- und ehrenamtlich tätigen Menschen unterstützt werden. Mit dem Aufruf an alle Anwesenden (aus Niedersachsen und darüber hinaus), sich dem Bündnis anzuschließen, endete der Abend beim Netzwerken im Atrium der Landesvertretung.
Fotos: Ole Bader