Marktordnungsrechtliche Vorschriften und Einkommenssteuergesetz werden geändert
Gesetz löst keine Probleme im Milchmarkt

Diese Hilfe ist keine! Die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag haben ein Gesetz beschlossen, das den krisengeplagten Milchbauern finanziell Erleichterung schaffen soll: Es werden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit die Liquiditätshilfen des 2. Milchpakets der Europäischen Union in Deutschland ausgezahlt werden können. Und gleichzeitig wird eine Tarifglättung im Einkommenssteuerrecht geschaffen, die es landwirtschaftlichen Betrieben erlauben soll, jeweils drei Jahre zusammen zu veranlagen und so unterschiedliche Jahresergebnisse miteinander auszugleichen. Niemand bezweifelt, dass die Milchbauern nach der schweren Preiskrise in finanziellen Schwierigkeiten stecken und schnelle Hilfe brauchen. Deshalb auch hat Niedersachsen dem Gesetz im Bundesrat letztlich zugestimmt. Nur: dieses Gesetz wird keines der Probleme im Milchmarkt lösen. Es wird sie zementieren.
Anders, als von der Agrarministerkonferenz in Göhren- Lebbin im April dieses Jahres beschlossen, knüpft das Gesetz der Regierungsfraktionen die Hilfszahlungen aus Brüssel nicht an die Bedingung, die Milchproduktion zu verringern. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt spricht zwar beschönigend von „Angebotsdisziplin“, tatsächlich aber soll der Bauer schon allein dafür Geld bekommen, dass er seine Produktion nicht steigert. Aber auch der Bundeslandwirtschaftsminister weiß, dass zu viel Milch im Markt ist, dass die Produktion verringert werden muss. Und vor allem weiß Minister Schmidt, dass die in der Vermarktungskette Milch üblichen Verträge mit Andienungspflicht und Abnahmegarantie dafür sorgen, dass der Landwirt nicht auf Marktsignale reagiert.
Die in der Kette üblichen Verträge schieben das gesamte wirtschaftliche Risiko weg vom Einzelhandel und den Molkereien hin allein zum Landwirt. Dem muss dann die Politik – oder besser: der Steuerzahler – deshalb immer wieder aus der Klemme helfen. Während Herr ALDI am anderen Ende der Kette und nicht zufällig einer der reichsten Deutschen, den finanziellen Rahm abschöpft. Zwar stellt auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt „mit Bedauern“ fest, dass „in der Milchbranche immer noch nicht überall die Erkenntnis zur Notwendigkeit von Strukturanpassungen vorhanden ist“, gesetzgeberische Konsequenzen aber hat er aus dieser Feststellung bislang nicht gezogen. Und auf die Freiwilligkeit derer zu spekulieren, die von den Fehlfunktionen im System profitieren, ist bestenfalls naiv. Damit steht uns die nächste Milchkrise – in geschätzt sieben Jahren – absehbar ins Haus.
Das von den Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz hält auch in seinem zweiten Teil – der Tarifglättung im Einkommenssteuerrecht – einer näheren Prüfung nicht stand. Es ist weder gezielt, noch wird es irgendetwas verändern, widerspricht damit allen Grundsätzen sinnvoller Förderpolitik. Hier wurde eine Gießkannenförderung aus Mitnahmeeffekten beschlossen! Denn von der Tarifglättung profitieren keinesfalls nur die Leidtragenden der Milchkrise. Es profitieren ausnahmslos alle: Auch Ackerbaubetriebe, der Obstbau, selbst die Forstwirtschaft. Das ist dem Deutschen Bauernverband nur recht: denn er fordert dies seit langem und begründet das mit einer angeblichen „Sonderrolle“ der Landwirtschaft. Die allerdings ist frei erfunden: „klima- und marktbedingte Schwankungen der Erträge“ zum Beispiel, treffen auch die Eisdiele, den Biergarten und das Tourismusgewerbe.
Es ist zweifelhaft, dass mit dieser Tarifglättung der verfassungsmäßige Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt wird. Absehbar hingegen ist, dass dieser Präzedenz- und Sündenfall Begehrlichkeiten Anderer wecken wird. Nicht einmal mit sozialen Argumenten lässt sich diese Steuerregelung rechtfertigen: Von einer Tarifglättung profitieren – aufgrund der Steuerprogression – vor allem Betriebe mit höherem Einkommen. Will man hingegen den kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben helfen, wäre die Anhebung der Freibeträge sinnvoller. Kurios ist schließlich die Forderung des Deutschen Bauernverbandes, auch noch juristische Personen in diese Steuerregelung einzubeziehen. Juristische Personen unterliegen bekanntlich der Körperschaftssteuer. Und die ist bereits per se „tarifgeglättet“, einheitlich auf 15%.