Gentechnik: den Bock zum Gärtner gemacht?
Christian Meyer: Bundeseinheitliches Anbauverbot wird es kaum geben

„Die große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt Gentechnik in Lebensmitteln ab, auf dem Tisch wie auf dem Acker. Aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird es ein bundeseinheitliches Anbauverbot kaum geben. Ich halte deshalb eine Nachbesserung für dringend geboten. Wir alle sind verpflichtet, die Wünsche unserer Bevölkerung ernst zu nehmen“ – so Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer im Bundesrat. Zur Debatte stand ein Gesetzentwurf, mit dem die Bundesregierung eine europäische Vorgabe umsetzen will, die es Deutschland erlauben würde, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) zur Lebensmittelerzeugung in Deutschland zu verbieten.
Eigentlich ist die Prüfung und Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen Sache der Europäischen Union, damit auf dem europäischen Binnenmarkt nur Produkte kursieren, die von allen akzeptiert werden. Die Praxis hat aber gezeigt, dass die Meinungen zur Gentechnik in der EU sehr unterschiedlich sind und man sich in diesem Punkt bislang nie einigen konnte. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, hat der europäische Gesetzgeber schließlich die Richtlinie (EU) 2015/412 geschaffen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten, selbst wenn diese Pflanzen eigentlich innerhalb der EU zugelassen sind. Ein Mitgliedstaat kann also wählen, dass er hier den europäischen Weg nicht mitgeht (sog. „opt out“). Die deutschen Bundesländer hatten die Bundesregierung bereits während der Beratungen der EU-Richtlinie aufgefordert (vgl. den Beschluss), bei der Umsetzung dieses Regelung in nationales Recht dafür zu sorgen, dass Verbote ausgesprochen werden können, die im gesamten Deutschland einheitlich gelten. Wir wollen keinen Flickenteppich, bei dem ein Bundesland „ja“ zu GVO sagt, das andere „nein“. Um die Sache voranzubringen, hatte der Bundesrat sogar einen entsprechenden Gesetzentwurf aus niedersächsischer Feder in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Es gab Gespräche zwischen Bund und Ländern, die in ein gemeinsames „Eckpunktpapier“ mündeten. Offenbar hat dies alles nicht gefruchtet.
Denn der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, entspricht nicht dem, was zwischen Bund und Ländern abgesprochen war. Er enthält eine Vielzahl komplizierter Regelungen, die am Ende dazu führen, dass ein Flickenteppich entsteht. Anstatt den Anbau von GVO zu verhindern, bemüht sich der Gesetzentwurf eher, ein Anbauverbot zu erschweren. Man hat den Eindruck, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht werden soll. Niedersachsen ist über diesen Entwurf enttäuscht. Hier sind die wichtigsten unserer Kritikpunkte:
- Der Gesetzentwurf verlangt, dass sich sechs Bundesministerien einig sein müssen, bevor man überhaupt ein Verbot versuchen kann. Auch das Bundesforschungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium gehören dazu, denen man eine eher unkritische Haltung zu GVO unterstellen darf. Sechs Meinungen unter einen Hut bringen, das ist schwierig und kostet Zeit, die einem das europäische Zulassungsverfahren nicht gibt.
- Der Gesetzentwurf sieht vor, dass, wenn ein Verbot ausgesprochen werden soll, schon von Anfang an dafür „zwingende Gründe“ genannt werden müssen. Das aber geht über die europäischen Vorgaben hinaus. Die nämlich verlangen eine Begründung erst dann, wenn das antragstellende Unternehmen nicht von sich aus bereit ist. Der Entwurf der Bundesregierung vergibt – ohne Not – die Möglichkeit, schon in der ersten Phase einfach und elegant ein GVO-Verbot zu erreichen.
- Schlimmer noch: der Gesetzentwurf schränkt die Auswahl der Argumente, mit denen ein Verbot begründet werden kann, unnötig ein. Während das EU-Recht hier eine offene Liste vorgibt, die Ergänzungen zulässt, will der Bund eine abgeschlossene und eingeschränkte Liste von Verbotsgründen. Auch in diesem Punkt ist der Vorschlag des Bundes strenger als das, was der europäische Rahmen ermöglichen würde.
- Der Entwurf der Bundesregierung überträgt allein den Ländern die Verantwortung für die Begründung von Anbauverboten. Niedersachsen meint, dass auch die Bundesregierung verpflichtet werden sollte, Gründe für Anbauverbote zu prüfen und zu benennen. Denn der Bund hat mit dem Bundesamt für Naturschutz die fachlich kompetenten Ressourcen dafür.
- Zudem ermöglicht der Entwurf der Bundesregierung, dass die deutschlandweite Gültigkeit von Anbaubeschränkungen durch ein einziges Bundesland jederzeit unterlaufen werden kann. Die Mehrheitsentscheidung kann ausgehebelt werden, ohne dass sich die benachbarten Bundesländer gegen die Folgen für ihre eigene Landwirtschaft wehren können. Ein „Flickenteppich“ wäre die Folge.
Deshalb noch einmal an dieser Stelle: eine Nachbesserung ist dringend nötig. Hoffen wir, dass der Bundestag, der diesen Entwurf nun beraten muss, dies auch so sieht.