Bundesrat will gerechten Ausgleich zwischen Urheberrechtschutz und Nutzerinteressen
Bildungs- und Wissenschaftsschranke gefordert

So schnell kann nicht einmal Harry Potter zaubern: Am gleichen Tag als die Autorin J.K. Rowling ihren letzten „Harry Potter“-Roman auf den Markt brachte, stand der Text schon im Internet. Ohne die Erlaubnis der Autorin, und ohne dass sie auch nur einen Cent dafür gesehen hätte. Digitale Plattformen, die Texte, Bilder und Filme im Internet anbieten, scheffeln Millionen. Die Autoren dieser Werke aber gehen oft genug leer aus. Die Europäische Kommission hat jetzt ein Paket von Vorschlägen vorgelegt, wie auch in der digitalen Welt Rechte gesichert und ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Autoren und der Nutzer geschaffen werden kann. Ziel ist, dass Bürgerinnen und Bürger ein möglichst großes Angebot von Inhalten zur Verfügung haben und rechtlich abgesichert mit gutem Gewissen hochladen können. Der Bundesrat hat diese Vorschläge kommentiert.
Der Urheberrechtsschutz ist seit langem EU-weit einheitlich geregelt. Die digitalen Techniken aber haben neue Nutzungsmöglichkeiten, Gewohnheiten und Geschäftsmodelle hervorgebracht, die eine punktuelle Anpassung dieser Regeln erfordern. Diese Aufgabe ist eine Dauerbaustelle. Die jetzt vorgeschlagenen zwei Verordnungen und zwei Richtlinien sind nicht die ersten Legislativvorschläge, die dazu nötig sind, sie werden auch nicht die letzten sein.
Bei den aktuellen Vorschlägen geht es z.B. darum, Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz für die Nutzung zum Zwecke der Forschung, der Bildung und des Erhalts des Kulturerbes vorzusehen. Es geht auch um die Rechte und finanziellen Ansprüche der Zeitungs-Redakteure und –Verleger, deren Texte in einem Internet-Dienst hochgeladen werden. Es geht um die Regelung von Lizenzrechten für Rundfunk- und Fernsehprogramme, die zeitgleich oder – on demand – zeitversetzt, vom Sender selber oder einem anderen Dienstleister übers Internet verbreitet werden und damit die Chance haben, auch in einer anderen Ecke Europas abgerufen zu werden. Am sympathischsten ist aber sicherlich, dass erleichtert werden soll, Kopien von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Noten für Menschen mit Seh- und Lesebehinderungen in einem ihnen zugänglichen Format, also z.B. in Großdruck, in Brailleschrift oder als Hörbuch, zu erstellen und grenzüberschreitend zu verbreiten.
Der Bundesrat hat diese Vorschläge der Europäischen Kommission beraten. Aus seiner Sicht hängen sie noch zu sehr an alten Verwertungs- und Wertschöpfungsmodellen und berücksichtigen nur unzulänglich die Realität der Mediennutzung an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und den Einrichtungen des Kulturerbes. Der Bundesrat fordert deshalb die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke ins Urheberrecht. Er vermisst Ausnahmeregelungen für den Umgang mit Privatkopien. Er fordert, dass der Weiterverkauf legal erworbener digitaler Inhalte erlaubt sein soll. Gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzungen hingegen, wie sie z.B. von manchen Plattformen praktiziert werden, will der Bundesrat wirksam bekämpft sehen.
Gerne hätte Niedersachsen der Kommission für ihren Vorschlag zugunsten der Seh- und Lesebehinderten gedankt. Unser Ausschussvorsitz meinte allerdings, dass ein solcher Dank an die Kommission „nicht üblich“ sei. (Warum eigentlich nicht?!) So haben wir keinen entsprechenden Antrag gestellt, sondern es bei einer Protokollerklärung belassen: Wir begrüßen, dass der Zugang zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte und anderweitig lesebehinderte Verbraucherinnen und Verbraucher erleichtert werden soll.