Boris Pistorius zu Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes
Fachtagung der Gewerkschaften fordert Nachsorgekonzept und Maßnahmen zur Gewaltprävention Die Veranstaltung am…

Fachtagung der Gewerkschaften fordert Nachsorgekonzept und Maßnahmen zur Gewaltprävention
- Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius verwies auf die Situation
- Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes: Christiane Poertgen moderierte
- Elke Hannack , stellvertretende Vorsitzende des DGB, führte in das Thema ein
- Kurz vor Beginn: Niedersachsens Bevollmächtigter Michael Rüter wird die Gäste begrüßen (3. v.r.)
- Bernd Krömer, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres, skizzierte die Sicht der Exekutive
- Gesprächsbedarf auch noch nach Schluss der Diskussion
Die Veranstaltung am 23. März in der Landesvertretung Niedersachsen stand unter dem Eindruck der fürchterlichen Anschläge in Brüssel am Tag zuvor. So stellte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zu Beginn seiner Rede zunächst die Frage, „ob wir heute überhaupt über das gewählte Fachthema sprechen können“, schließlich habe der gestrige Tag gezeigt, dass sich Gewalt gegen jeden richtet und allgegenwärtig sei. Aber genau deshalb, Pistorius weiter, sei es richtig über Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu reden, denn das ist ein Teil des gesamten Problems.
Tätliche und verbale Übergriffe gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nehmen zu. Das belegen nicht nur Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik für den Polizeibereich, das berichten auch viele Beschäftigte der Jobcenter, daher luden der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Hans-Böckler-Stiftung zu der Fachtagung „Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes“ in die Landesvertretung ein.
„Jegliche Art von Übergriffen ist auf das Schärfste zu verurteilen! Deshalb ist auch jegliches Verständnis dafür fehl am Platze, denn Gewalt ist keine Lösung. Das gilt für verbale, psychische und physische Gewalt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst leisten eine äußerst respektable Tätigkeit. Deshalb dürfen wir es nicht zulassen, wenn andere sie respektlos behandeln“ so Niedersachsen Innenminister Boris Pistorius in seiner Rede.
In Niedersachsen lernen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits in der Ausbildung und später in aufeinander aufbauenden Fortbildungen, sich auf die Risiken vorzubereiten bzw. sich davor zu schützen, so dass das taktisch richtige und rechtlich zulässige Einsatzverhalten vertieft und gefestigt werden: von den „handwerklichen“ Fertigkeiten bis hin zu den komplexen Verhaltenstrainings. Gleichzeitig werden in den verschiedenen Trainingsfeldern Punkte wie Taktik und Eigensicherung, Stressbewältigung oder Eingriffstechnik vermittelt.
Zuvor hatte der Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen, Staatsekretär Michael Rüter, darauf hingewiesen, dass GdP und DGB schon lange an diesem Gewaltthema arbeiten. Auch das Bundesministerium des Inneren würde sich im April in einer Veranstaltung dem Thema widmen- allerdings ohne Einbindung den DGB. In diesem Zusammenhang lobte Rüter die verlässliche Zusammenarbeit mit den gewerkschaftlichen Partnern in Niedersachsen.
Laut Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer sind Gewaltdelikte in Deutschland insgesamt seit Jahren rückläufig. In der Tat gebe es aber einen Anstieg von Übergriffen auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Seine Erläuterungen der statistischen Veränderungen auf der Fachtagung zeigten: Der statistischen Erfassung kommt eine zentrale Bedeutung zu. Auf ihrer Grundlage können das ganze Ausmaß erst erfasst und politische Handlungsnotwendigkeiten abgleitet werden. Die Streifenpolizistinnen und Polizisten nannte Pfeiffer die „Helden des Alltags“. So gaben 95% der Polizistinnen und Polizisten an, bereits verbale Attacken im Alltag erfahren zu haben, 39% sogar schon physische Angriffe.
Wichtig sei in jedem Falle, eine gute Nachbereitung des Vorkommnisses insbesondere durch die Vorgesetzten. „Wenn die Nachbereitung unterbleibt, gehe man geschwächt in den nächsten Einsatz“, so der Kriminologe.
Die Frage nach den Ursachen für Gewalt stand lange im Mittelpunkt der Beiträge und der Diskussion. Das Bedürfnis aller Teilnehmenden nach einer Erklärung für das aggressive Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes trat deutlich zu Tage.
Bessere Sicherheitsvorkehrungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes hat die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack in ihrem Schlussstatement auf der Tagung gefordert: „Gerade für die Beschäftigten mit Publikumsverkehr in den Dienststellen muss regelmäßig geprüft werden, ob die Sicherheitsvorkehrungen ausreichend sind. Es gibt einen Rechtsanspruch auf Gefährdungsbeurteilung, dieser muss aber auch operativ umgesetzt werden. Für alle Beschäftigten fordern wir außerdem einen Anspruch auf Nachsorge und ein Nachsorgekonzept, d.h. regelmäßige Supervision sowie stetige Maßnahmen zur Gewaltprävention.“
Aus den Vorträgen und der anschließenden Diskussion ergaben sich folgende Forderungen:
- statistische Erfassung auch über den Bereich Polizei-, Rettungs- und Feuerwehrkräfte hinaus,
- alle Vorfälle zur Anzeige bringen,
- Unterstützung durch Vorgesetzte und Nachbetreuung,
- angemessene Personalausstattung des öffentlichen Dienstes,
- Aus- und Fortbildung zum Thema und
- ein gesamtgesellschaftlicher Wertedialog.