Die Heimat meiner Vorfahren: Schlesische, böhmische und baltische Familiengeschichten aus der Sicht der Kinder und Enkel
Veranstaltung des Deutschen Kulturforums östliches Europa Nach der Begrüßung der rund 130…

Veranstaltung des Deutschen Kulturforums östliches Europa
- Der Autor Ralf Pasch erläutert den Hintergrund seines Buches
- Niedersachsens Dienststellenleiter Michael Pelke begrüßt die Gäste der Veranstaltung in der Landesvertretung
- Dr. Claudia Tutsch vom Deutschen Kulturforum östliches Europa führt in das Thema ein
- Im Gespräch: Roswitha Schieb, Bettina Henkel und Moderator Peter Pragal
- Dr. Harald Roth vom Deutschen Kulturforum östliches Europa begrüßt die Gäste des Abends
- Bettina Henkel und ihre Familie
Nach der Begrüßung der rund 130 Gäste durch Niedersachsens Dienststellenleiter Michael Pelke und Dr. Harald Roth seitens des Deutschen Kulturforums östliches Europa stellten die Autorin Roswitha Schieb, der Journalist und Autor Ralf Pasch sowie die Filmemacherin Bettina Henkel in kurzen Impulsreferaten ihren persönlichen Zugang zur Herkunftsregion ihrer Familie dar.
Roswitha Schieb hielt die von ihren Eltern beschriebene Heimat in Schlesien lange Zeit für ein in der Erinnerung verklärtes Traumgebilde, bis sie in den 1990er Jahren selbst nach Schlesien reiste, um festzustellen, dass die Landschaft tatsächlich so schön ist wie sie sie aus den Erzählungen kannte. Seitdem hat Schlesien sie nicht wieder losgelassen. Ralf Pasch lernte durch Urlaubsaufenthalte in Nordböhmen schon als Kind die Heimat seiner Großeltern kennen. Nicht zuletzt die biographischen Aufzeichnungen seines Großvaters, die auch dessen politische Gesinnung und seine Haltung gegenüber den Tschechen widerspiegeln, animierten ihn, sich mit der jüngeren deutsch-tschechischen Geschichte und der eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen. In seinem im Frühjahr 2014 erschienenen Buch „Die Erben der Vertreibung. Sudetendeutsche und Tschechen heute“, porträtiert er fünfzehn Nachkommen der aus Böhmen und Mähren stammenden Deutschen, die nach dem Krieg in der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und Österreich eine neue Heimat fanden. Unter ihnen auch Vertreter der deutschsprachigen Minderheit in Tschechien sowie Tschechen der dritten Generation, die sich mit der jüngeren deutsch-tschechischen Geschichte und der Vertreibung der Deutschen befassen.
Auch Bettina Henkel, deren Vorfahren aus dem Baltikum stammen, wuchs mit den Erzählungen von der fernen Heimat sowie mit den tradierten Sitten, Gebräuchen und sprachlichen Besonderheiten auf, die sie von den Menschen in ihrem Umfeld unterschied. In zwei Dokumentarfilmen hat sie sich bisher der Heimat und der Geschichte ihrer Familie genähert. Der Kurzfilm „Theaterstraße 6“ wurde im Anschluss an die Vorträge gezeigt.
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion „Herkunftsregion: östliches Europa? Die Nachkommen der Vertriebenen und Flüchtlinge heute“ wurde das Thema erweitert und vertieft. Es diskutierten Bettina Henkel, Ralf Pasch und Roswitha Schieb. Die Moderation hatte der Journalist Peter Pragal- seinerseits in Breslau geboren und als Kind mit seiner Familie nach Kriegsende in den Westen geflohen. Er gehört damit noch zur Erlebnisgeneration. Seine Erinnerungen und seinen Bezug zu seiner Geburtsstadt beschrieb er in dem Buch „Wir sehen uns wieder, mein Schlesierland: Auf der Suche nach Heimat“.
Die drei Diskutierenden gehören hingegen zu der in den 1960er Jahren geborenen Generation. Während Roswitha Schieb und Bettina Henkel, in der alten Bundesrepublik aufgewachsen, in ihrer Jugend kein Interesse an der Thematik Vertreibung und Vertriebene hatten, war diese in der DDR, in der Ralf Pasch seine Jugend verbrachte, tabu. Die Frage nach der Vermittlung der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wurde von allen dahingehend beantwortet, dass der Schwerpunkt auf der Entwicklung des Dritten Reichs lag, der Krieg und die Folgen für Deutschland dagegen nur summarisch behandelt wurden. Die Geschichte der Deutschen im östlichen Europa fand so gut wie keine Erwähnung. Auf Fragen, worin das Erbe der Vorfahren denn bestehe und was mit der Heimat der Eltern im Einzelnen verbunden werde, wurden die Landschaft und bestimmte Bräuche genannt. Roswitha Schieb gab an, dass sie manche Traditionen weiterführe. So gebe es beispielsweise am Weihnachtsabend schlesische Würste. Auf Nachfrage erzählte sie, dass sie zumindest Teile dieses Erbe auch an ihre Tochter weitergebe, mit der sie natürlich auch schon in Schlesien war. Für Bettina Henkel dagegen brach nicht nur die deutschbaltische Kochkultur mit dem Tod der älteren Generation ab. Während Schieb keinen Kontakt zur Landsmannschaft pflegt, interessiert sich Ralf Pasch für die Entwicklung der Jugendorganisation der Sudetendeutschen Landsmannschaft, vor allem für deren Beziehungen zu tschechischen Jugendverbindungen.
Alle drei Diskutanten sind häufig in den Herkunftsländern ihrer Vorfahren und haben dort Kontakte. Die Auseinandersetzung mit der schlesischen bzw. böhmischen Geschichte und Kultur ist weiterhin ein Thema für Schieb und Pasch, während sich Henkel mehr mit Familiengeschichte, Flucht und Kriegstraumata beschäftigt. Für alle drei hat die Herkunftsregion ihrer Vorfahren eine besondere und identitätsstiftende Bedeutung, aber keiner von ihnen würde sie heute als die persönliche Heimat bezeichnen.