»Stresstest« für Atomkonzerne und Bürgerdialog Standortsuche
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nahm Anfang Juli an einer Sitzung der Kommission…

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nahm Anfang Juli an einer Sitzung der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe teil und appellierte an die Verantwortung seiner Generation, eine „verantwortungsvolle Lösung“ für die Lagerung des Atommülls zu finden. „Als Bürger und Minister“ dankte er den Mitgliedern der Kommission für ihre Arbeit.
Im Bundeswirtschaftsministerium werden Forschungsvorhaben zur Endlager-Frage betreut. Dabei gebe es laut Gabriel keine Vorfestlegung auf bestimmte Entsorgungspfade oder Wirtsgesteine. Die Empfehlungen der Kommission sollen in diese Forschung integriert werden. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Forschungspolitik und deren nun breitere Ausrichtung für die kommenden Jahrzehnte und forderte eine transparente, möglichst jährliche Berichterstattung zu den vier gewählten Schwerpunkten.
Auch die Rückstellungen der Kernkraftwerksbetreiber für den Atomausstieg thematisierte Gabriel. Er verwies dabei auf die Rechtslage, die eindeutig sei, und nach der die Betreiber sämtliche Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung zu tragen hätten. Ob sie dazu tatsächlich in der Lage sind, werde derzeit durch einen „Stresstest“ geprüft. Dabei würden die von den Konzernen in den Bilanzen ausgewiesenen Rückstellungen intensiv überprüft. Gabriel kündigte zudem an, einen Vorschlag vorzulegen, wie in Fällen von Konzerninsolvenzen mit den Rückstellungen umgegangen werden könne. Denn nach aktueller Rechtslage könne eine Belastung der staatlichen Haushalte in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden, so der Wirtschaftsminister.
Gabriel verteidigte zudem den zwischen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und den Energieversorgungsunternehmen ausgehandelten Kompromiss zur Zwischenlagerung von noch im Ausland stehenden Castoren. Die Unternehmen begrüßen die Vorlage eines Konzeptes durch das Bundesumweltministerium und sagen eine eingehende Prüfung zu. Dabei wollen sie auch die Rücknahme sämtlicher Gerichtsverfahren prüfen, die sie gegen das Verbot weiterer Castor‑Transporte nach Gorleben angestrengt hatten. Zunächst sollen sämtliche Verfahren ruhend gestellt werden. Die 26 zurückzuholenden Castoren werden im Zeitraum 2017 bis 2020 in Zwischenlager an AKW-Standorten in Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein und Bayern gebracht. Die drei erstgenannten Bundesländer hatten im Vorfeld bereits Unterstützung signalisiert; Niedersachsen war für die weitere Aufnahme von Castoren ausgeschlossen worden.
Um die Öffentlichkeit an der Standortsuche zu beteiligen, fand bereits am 20. Juni in Berlin ein Bürgerdialog statt. Mehr als 200 Bürgerinnen und Bürger diskutierten mit der Endlager-Kommission über eine faire und transparente Suche nach einem Standort zur Lagerung hoch radioaktiver Abfälle. Die Teilnehmer des „Bürgerdialogs Standortsuche“ machten der Kommission Vorschläge zur Beteiligung der Öffentlichkeit an der neuen Standortsuche, zur Finanzierung der Entsorgung und debattierten auch über den sichersten Entsorgungsweg.
Nach einer Begrüßungsrede der Kommissionsvorsitzenden Ursula Heinen-Esser erläuterte der Vorsitzende der Kommissions-Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit Hartmut Gaßner das Beteiligungskonzept der Kommission. Das Konzept legt fest, auf welchen Wegen und über welche weiteren Veranstaltungen die Bürgerinnen und Bürger weiter an der Arbeit der Kommission mitwirken können und wie ihre Stellungnahmen in den Abschlussbericht mit den Empfehlungen der Kommission eingehen sollen.
Über die weitere Beteiligung der Öffentlichkeit an der Kommissionsarbeit diskutierten anschließend zahlreiche Gäste des Dialogs an den acht runden Tischen eines Worldcafés. Dabei ging es um die Grundsätze guter Beteiligung, um für eine Beteiligung geeignete Inhalte, um passende Beteiligungsformen und um den Einfluss auf den Kommissionbericht, den die Ergebnisse der Beteiligung haben sollen.
Parallel zum Worldcafé standen in fünf Fokusgruppen zentrale Fragen der Standortsuche zur Debatte: wie ist überhaupt eine Standortsuche im gesellschaftlichen Konsens möglich? Welchen Einfluss hat die Öffentlichkeit bei der Standortsuche und deren Beteiligung an Auswahlentscheidungen zur Debatte? Gibt es zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk bessere Alternativen? Außerdem diskutierten zwei Gruppen die verursachergerechte Finanzierung der Lagerung radioaktiver Abfälle und die Neuorganisation der Unternehmen und Behörden, die in Deutschland Endlager errichten, betreiben und kontrollieren.
Die im Worldcafé und in den Fokusgruppen erarbeiteten Vorschläge und Ideen werden in die Arbeit der Kommission eingespeist.
Ein zusammenfassendes Video zum Bürgerdialog finden Sie hier: http://www.bundestag.de/endlager/mediathek/videos?videoId=380152