Ende der Kettenduldungen
Neues Bleiberecht bringt viele Verbesserungen für Flüchtlinge Kaum ein anderes Gesetzesvorhaben der…

Neues Bleiberecht bringt viele Verbesserungen für Flüchtlinge
Kaum ein anderes Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ist in der letzten Zeit im Vorfeld so stark diskutiert – und auch kritisiert- worden wie das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung wegen angeblicher Asylrechtsverschärfungen. Und wie so oft: Schaut man genauer hin, findet man im Gesetz viele Regelungen, die die Situation von Flüchtlingen in unserem Land sehr verbessern werden. Niedersachsen hätte sich sogar noch weitere Verbesserungen für Flüchtlinge vorstellen können und hat dafür geworben. Die Kritik über eine vermeintliche Verschärfung des Asylrechts geht jedoch am Inhalt des Gesetzes vorbei.
Neu geschaffen wurde zum Beispiel ein Bleiberecht für langjährig Geduldete, somit wird die langjährige Praxis der unwürdigen Kettenduldung fortan der Vergangenheit angehören. Voraussetzung für die Bleiberechtsregelung ist für Alleinstehende ein mindestens achtjähriger Voraufenthalt. Für Eltern minderjähriger Kinder reichen sechs Jahre. Die Betroffenen müssen dafür eine überwiegende Lebensunterhaltssicherung nachweisen. Ergänzend wurde eine Regelung für Jugendliche und Heranwachsende bis zum 21. Lebensjahr geschaffen, bei dieser Gruppe reicht ein vierjähriger Voraufenthalt.
Junge Asylbewerber und Geduldete, die eine qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen haben, werden während der Ausbildung nicht abgeschoben. Die Ausbildung kann als Duldungsgrund gelten. So erhalten sowohl die Auszubildenden als auch deren Arbeitgeber Rechtssicherheit.
Die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus dem Ausland (sog. Resettlement Verfahren) erhält endlich eine Rechtsgrundlage. Sie werden beim Familiennachzug und dem schnelleren Zugang zur Niederlassungserlaubnis (unbefristetes Aufenthaltsrecht) nach nur drei Jahren mit Asylberechtigten und Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt und sind außerdem BAföG-berechtigt.
Subsidiär Geschützte (EU) unterlagen beim Familiennachzug bisher einer sehr restriktiven Ausnahmeregelung. Nun werden sie Asylberechtigten und Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt. Subsidiär Geschützte (EU) sind Personen, die von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind, ohne dass ein Diskriminierungsgrund wie bei Asylberechtigung oder Genfer Flüchtlingskonvention vorliegt.
Entgegen manchen Behauptungen enthält das Gesetzespaket keine Ausweitung von Abschiebehaft. Den Weg ins Gesetz fanden die Anhaltspunkte für Fluchtgefahr, die die Rechtsprechung seit Jahren vorgibt und ausurteilt. Jeder Einzelfall ist dabei zu prüfen.
Schon vorher bestand die Möglichkeit der Inhaftierung wegen Fluchtgefahr, wenn jemand erhebliche Geldbeträge an einen Schleuser gezahlt hat. Bisher hat die Rechtsprechung dies nur oberflächlich begründet. Mit der neuen Gesetzesregelung wurde die Darlegungs- und Begründungslast für Behörden und Gerichte erhöht und der Anwendungsbereich somit eingeengt. Niedersachsen hatte sich dafür eingesetzt, dass die Zahlung an einen Schleuser als Anhaltspunkt für eine bestehende Fluchtgefahr aus dem Gesetzesentwurf insgesamt gestrichen wird.
Neben Änderungen bei den Einreise- und Aufenthaltsverboten wurde auch das Ausweisungsrecht neu geregelt, da es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr (europarechts-) konform war. Die Ausweisungsgründe wurden teilweise verschärft, dafür beinhaltet das Gesetz in dem Bereich aber auch Verbesserungen im Bereich des Ausweisungsschutzes für Minderjährige und Opfer von Menschenhandel. Zukünftig ist auch die Abwägung von Bleibe- und Ausweisungsinteresse in jedem Einzelfall voll überprüfbar.
Der Bundesrat hatte den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung bereits im Februar 2015 beraten und eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Der Bundestag verabschiedete den Regierungsentwurf in seiner Sitzung Anfang Juli 2015 mit einigen Änderungen, bei der jedoch größtenteils die Stellungnahme des Bundesrates keine Berücksichtigung fand.
Daher hat der Bundesrat jetzt zwar das Gesetz gebilligt, jedoch mehrheitlich zudem eine Entschließung zum Gesetzespaket gefasst. Mit der auch von Niedersachsen unterstützten Entschließung kritisiert die Länderkammer, dass viele ihrer Änderungsvorschläge aus dem Plenum zu Jahresbeginn sich im geänderten Gesetz nicht wiederfinden.
So sei es zum Beispiel bedauerlich, dass kein Aufenthaltsrecht für jugendliche oder heranwachsende Geduldete geschaffen wurde, die in Deutschland eine Ausbildungsstelle gefunden haben.
Zudem hält der Bundesrat weiterhin die Abschaffung des sogenannten Sprachnachweises vor Einreise beim Ehegattennachzug für erforderlich. Es sei aus integrationspolitischer Sicht sinnvoll, die deutsche Sprache dort zu erlernen, wo sie im Alltagsleben verwendet wird. Auch die Angebote für den Erwerb von Sprachkenntnissen seien weiter auszubauen und die Integrationskurse für weitere Personengruppen zu öffnen. Niedersachsen hatte diesen Punkt in die Beratungen eingebracht.
Im Bereich der Aufenthaltsbeendigung seien nicht nur Zwangsmaßnahmen in den Blick zu nehmen, sondern das Instrument der freiwilligen Ausreise sowie die Ausreiseförderung und -beratung zu stärken. Die Anordnung von Abschiebungshaft müsse bereits nach europäischem Recht letztes Mittel sein.
Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt.