Bundesrat fordert Rehabilitierung von nach 1945 verurteilten Homosexuellen
Justizministerin Niewisch-Lennartz: Pflicht des demokratischen Rechtsstaats In seiner letzten Sitzung vor der…

Justizministerin Niewisch-Lennartz: Pflicht des demokratischen Rechtsstaats
In seiner letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen und in den Deutschen Bundestag einzubringen, der Maßnahmen zur Rehabilitierung und Entschädigung für die nach 1945 und in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen verurteilten Menschen vorsieht.
Die strafrechtliche Verfolgung einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen vor und während der Zeit des Nationalsozialismus wurde auch noch nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage des zunächst fortgeltenden Rechts fortgesetzt. Die in der NS-Zeit verschärften Strafnormen galten(als §§175, 175a StGB) in der Bundesrepublik Deutschland bis 1969 unverändert fort. Erst im Jahr 1994 hat der Bundestag den §175 StGB endgültig aufgehoben. In ihrer Rede verdeutlichte die niedersächsische Justizministerin gegenüber der Länderkammer: „Niemand bezweifelt, dass die damaligen Verurteilungen gegen die Menschenwürde verstoßen. Wenn man sich dieses vor Augen führt und sich zugleich bewusst macht, welchen Repressalien und welcher Stigmatisierung die Betroffenen im Alltag aufgrund der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung ausgesetzt waren, ist es eine Pflicht des demokratischen Rechtsstaats, die verurteilten Menschen zu rehabilitieren und zu entschädigen.“
Der Entschließungsantrag beruht auf einer Initiative des Landes Berlin. Der Antrag wurde jetzt in einer geänderten Fassung angenommen, die insbesondre durch Niedersachsen zusammen mit Nordrhein-Westfalen angestrebt wurde. Gegenüber dem ursprünglichen Antrag ist die nun beschlossene Fassung offener formuliert und legt sich insbesondere nicht auf eine bestimmte Form der Maßnahmen zur Rehabilitierung und Entschädigung fest. So hält der ursprüngliche Antrag etwa die Entschädigung in Form einer Einmalzahlung an die Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld gegenüber einer Individualentschädigung für vorzugswürdiger.
Die nun zustande gekommene breite Mehrheit im Bundesrat beruht zu wesentlichen Teil auf dem starken Engagement Niedersachsens. Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hatte das Thema zur Frühjahrs-Justizministerkonferenz angemeldet und bereits dort eine breite Unterstützung für die Initiative organisiert. In ihrer Rede betonte sie jetzt: „Durch die heutige Beschlussfassung kann der Bundesrat ein beachtliches Zeichen setzen, dass er das Ziel der Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen mit Nachdruck verfolgt und für eine umfassende Wiedergutmachung in diesem Sinne eintritt“ und weiter „Es steht dem demokratischen Rechtsstaat gut zu Gesicht, wenn er angesichts der Schwere des Verfassungsverstoßes als verfassungswidrig erkannte Verurteilungen aufhebt oder mindestens die Möglichkeit zu deren Aufhebung schafft. Ohne diese Umsetzung bleibt die bloße Anerkennung der Verfassungswidrigkeit der Verurteilungen letztlich hohl und unglaubwürdig.“