Bundesrat befasst sich mit digitalem Binnenmarkt
Länder nehmen umfangreich Stellung Der Bundesrat hat zu der Strategie der Europäischen…

Länder nehmen umfangreich Stellung
Der Bundesrat hat zu der Strategie der Europäischen Kommission für die Errichtung eines digitalen Binnenmarktes für Europa eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Die Strategie ist einer der von Kommissionspräsident Juncker im letzten Jahr angekündigten zehn politischen Schwerpunktbereiche der neuen Kommission. Unter dem digitalen Binnenmarkt versteht die Kommission einen Raum der Freizügigkeit von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital, in dem Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen unter fairen Wettbewerbsbedingungen und unabhängig von Nationalität und Wohnsitz Online-Aktivitäten ausüben und Internetanwendungen nutzen können. Der digitale Binnenmarkt soll gewährleisten, dass Europa auch in Zukunft zu den Vorreitern der Digitalwirtschaft gehört. Mit der Strategie verknüpft die Europäische Kommission die Hoffnung auf Arbeitsplätze, Wachstum, Wettbewerb, Investitionen und Innovation. Das europäische Bruttoinlandsprodukt soll damit um 415 Milliarden Euro gesteigert werden.
Die Strategie ist auf mehrere Jahre angelegt. Der Zeitplan sieht 16 legislative und nichtlegislative Vorhaben für 2015 und 2016 vor. Jedes einzelne Vorhaben wird eine Konsultation und eine Gesetzesfolgenabschätzung nach sich ziehen. Die Strategie hat drei Säulen:
- Besserer Zugang für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen zu Waren und Dienstleistungen in Europa Die Kommission schlägt dazu u.a. vor: Die zivilrechtlichen Vorschriften zum grenzüberschreitenden Online-Handel zu harmonisieren, Maßnahmen zur Verbesserung der Preistransparenz bei grenzüberschreitender Paketzustellung auf den Weg zu bringen, ein Verbot von unberechtigtem Geoblocking einzuführen, den E-Commerce-Sektor kartellrechtlich zu untersuchen, das Urheberrecht in Europa zu harmonisieren, die Ahndung gewerbsmäßiger Schutzverletzungen zu verschärfen sowie den mehrwertsteuerbedingten Verwaltungsaufwand bei Auslandsgeschäften aufgrund unterschiedlicher Mehrwertsteuersysteme zu reduzieren.
- Verbesserung der Bedingungen für digitale Netzwerke und Dienste Die Kommission schlägt dazu u.a. vor: Die EU-Telekommunikationsvorschriften zu reformieren (u.a. für eine wirksame Koordinierung der Frequenznutzung, für Anreize zum Ausbau von Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetzen sowie zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer), den Rechtsrahmen für audiovisuelle Medien zu überprüfen (u.a. hinsichtlich von Anpassungserfordernissen an die Entwicklung der Technologie und der Märkte sowie zur Harmonisierung der Marktbedingungen für alle Marktteilnehmer), die datenschutzrechtlichen Regelungen zu überprüfen mit dem Ziel einer höheren Sicherheit bei der Nutzung digitaler Dienste sowie eine öffentlich-private Partnerschaft mit der Industrie zum Thema Cybersicherheit zur Verbesserung von IT-Sicherheitslösungen und zur wirksameren Rechtsdurchsetzung einzugehen.
- Ausschöpfung des Wachstumspotenzials für die digitale Wirtschaft Die Kommission schlägt dazu u.a. vor: Eine Initiative für freien Datenfluss innerhalb der EU sowie eine Europäische Cloud-Initiative zu starten und die technische Normung in zentralen Bereichen (z.B. bei e-Gesundheit, Verkehrsplanung und intelligenter Energieverbrauchsmessung) sowie die digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.
Der Bundesrat hat die Initiative begrüßt, setzt sich in seiner Stellungnahme aber auch kritisch mit einzelnen Ziffern der Kommissionsmitteilung auseinander. Er betont darin, dass der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen zu den Grundpfeilern der EU gehört und die Kommissionsmitteilung wichtige Bereiche aufzeige, in denen die europäische Politik ihren Beitrag zur Digitalisierung leisten könne. Der Bundesrat sieht unter anderem in den Bereichen Infrastrukturausbau bzw. Telekommunikation und Breitbandregulierung große Chancen für Europa. Er erinnert aber auch daran, dass die Vertragsabschlussfreiheit und die Freiheit der Preisgestaltung zu den elementaren Grundpfeilern marktwirtschaftlich organisierter Volkswirtschaften gehören. Bei der Modernisierung des europäischen Urheberrechts sei auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Verwerter und Nutzer zu achten. Damit die EU möglichst schnell ihren Rückstand bei „superschnellen“ Breitbandnetzen aufholen könne, müsse eine europäische Hochgeschwindigkeitsstrategie auch über das Jahr 2020 hinaus entwickelt werden, die vor allem das Problem unzureichender Investitionen der Telekommunikationsunternehmen in Telekommunikationsnetze in ländlichen Gebieten adressiert.
Beim Datenschutz spricht der Bundesrat sich gleichermaßen für ein hohes Niveau und die Ermöglichung wirtschaftlicher Wertschöpfung aus. Bezüglich der Vorschläge der Kommission zur Förderung einer inklusiven, digitalen Gesellschaft verweist der Bundesrat darauf, dass die Zuständigkeit für den Bereich der eigenen Verwaltungsorganisation bei den Mitgliedstaaten liegt. Die Erfassung aller mit einer Person im Zusammenhang stehenden Daten in einer einheitlichen Datenbank sieht der Bundesrat schon unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisch. Eine Entwicklung hin zu einer umfangreichen Datenbank, in der alle Informationen zu Bürgerinnen und Bürger gespeichert sind, sei abzulehnen.
Im Bereich der digitalen Bildung sieht der Bundesrat die Ankündigung der Kommission mit Sorge, Veränderungen der Aus- und Fortbildungssysteme ausgehend von auf EU-Ebene laufenden Initiativen anstoßen zu wollen. Die Kompetenz für die Ausgestaltung der Bildungsinhalte und ihre Weiterentwicklung läge ausschließlich bei den Mitgliedstaaten, in Deutschland bei den Ländern. Im Bildungsbereich komme der EU nur eine unterstützende Rolle unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und der Freiwilligkeit der europäischen Bildungskooperation zu.