Hildegard Kempowski liest aus dem „Echolot“
Wenige Tage nach ihrem achtzigsten Geburtstag und an jenem Tag, an dem…

Wenige Tage nach ihrem achtzigsten Geburtstag und an jenem Tag, an dem ihr 2007 verstorbener Mann Walter Kempowski sechsundachtzig Jahre alt geworden wäre, war Hildegard Kempowski in Berlin- über neunzig Beteiligte lasen hier öffentlich den letzten Band des „Echolots“ von Walter Kempowski. Dieser hatte den Zeitabschnitt seines Studiums in Göttingen und das Kennenlernen seiner zukünftigen Frau in der Universitätsstadt stets als „ein sonniges Kapitel“ seines Lebens bezeichnet. Heute führt die Witwe des Autors und zugleich Vorstandsvorsitzende der im niedersächsischen Nartum ansässigen Stiftung „Kempowski Stiftung Haus Kreienhoop“ eben dieses Haus Kreienhoop, das sie gemeinsam mit ihm aufgebaut hat, als einen Ort der Begegnungen weiter.
Zu Beginn der Veranstaltung las Hildegard Kempowski – im unmittelbaren Anschluss an Ministerin Heinen-Kljajic – auf der Bühne das Vorwort des Bands „Abgesang `45“. Auch die restlichen 23 Stunden war sie nahezu ununterbrochen anwesend. Wenn sie nicht selbst las, hörte sie zu und verfolgte die Lesung in ihrer Buchausgabe. In den frühen Stunden des 30. April 2015 las sie einige Passagen des 30. April 1945. Jenem Tag, an dem Hitler sich in unmittelbarer Nähe der heutigen Landesvertretung umbrachte. Das Vorgelesene ließ sie kurz innehalten und veranlasste sie zu dem kurzen, aber vielsagenden Kommentar: „ein Wahnsinn“.
Nachdem nach vierundzwanzig Stunden der Epilog von ihrem Neffen, Dr. Christian Janssen, gelesen worden war und auch Sohn und Enkelkinder vor Ort waren, resümierte sie zufrieden die „Kraftanstrengung“ der Nonstop-Lesung. Das Aufeinandertreffen der zahlreichen Lesenden aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen und verschiedener Generationen stimmte sie entsprechend froh, da auch hier die Teilnahme und die gemeinsame Lektüre im Vordergrund standen, wie auch bei ihrer Arbeit für die Stiftung in Nartum.
In die Echolot-Ausgabe, die die Landesvertretung aus Anlass der Lesung erworben hatte, schrieb sie:
30. April 2015
Man kann es doch eigentlich nicht ertragen, was wir uns hier seit gestern zumuten!? Was hat Walter Kempowski sich zugemutet- all die Jahre! In seinem Sinne danke ich Ihnen, dem großartigen Team des Hauses der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund!
– H. Kempowski
Foto: Yorck Maecke