Grünkohl schmeckt auch ohne Pinkel
Gewagte Neuerung bei der Oldenburger Traditionsveranstaltung Zum Grünkohl serviert man Pinkel, Kassler…

Gewagte Neuerung bei der Oldenburger Traditionsveranstaltung
Zum Grünkohl serviert man Pinkel, Kassler und Mett-Enden und man spült das Ganze mit Bier und Korn hinunter – so ist es nicht nur im niedersächsischen Nordwesten guter Brauch, sondern natürlich auch beim beliebten „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ in der niedersächsischen Landesvertretung. Bei der 57. Auflage dieser Traditionsveranstaltung war aber jetzt alles anders: Der Grünkohl war mit Gänseschmalz zubereitet, dazu wurde gegrillter Lachs serviert und statt Bier und Schnaps gab es mildes Mineralwasser – jedenfalls für den neuen Grünkohlkönig, Seine Majestät Hüseyin Avni Karslioglu, Botschafter der Republik Türkei und der erste Moslem, dem diese Oldenburger Königswürde angetragen wurde.
- Auch Ministerpräsident Stephan Weil amüsierte sich über die Redebeiträge beim Grünkohlessen
- Der türkische Botschafter und neue Grünkohlkönig S.E. Hüseyin Avni Karslioglu mit MP Stephan Weil und OB Gerd Schwandner
- Der König ist in diesem Jahr nach eigenen Worten ein Grünkohlsultan- der Botschafter der Türkei bei seiner Antrittsrede als Majestät
- Launige Worte und ein Getränk in Reichweite- Kanzleramtsminister Peter Altmaier bei seiner Abschiedsrede als Kohlkönig
- NDR-Moderator Yared Dibaba hielt die Laudatio auf den neuen Kohlkönig
- Ministerpräsident Stephan Weil -Schirmherr des Oldenburger Grünkohlessens- bei seinem Grußwort
- Mit glockenklarer Stimme das Oldenburg-Lied vorgetragen: Sängerin Emily Fröhling
- Sichtlich amüsiert verfolgte der scheidende Grünkohlkönig Peter Altmaier die Reden des Abends
Er selbst bezeichnete sich denn auch als „Gröönkohl-Sultan“ und erfreute die rund 300 Zuhörerinnen und Zuhörer in seiner Dankes- und Antrittsansprache mit einer ebenso feinsinnigen wie humoristischen Rede. Nie habe er es sich träumen lassen, als erster türkischer Grünkohlkönig in die Geschichte eingehen zu können. Das zeige doch, wie weit es speziell in Oldenburg mit der Integration schon vorangekommen sei, wozu man den „weltoffenen“ Oldenburgern nur gratulieren könne.
Auch die Krönungsrede wurde diesmal von einem Mann gehalten, dem man die Nähe zum Oldenburger Nationalgericht nicht gerade auf Anhieb ansieht: Yared Dibaba, im Zivilberuf TV-Moderator und beim Grünkohlabend Vorsitzender des so genannten Kurfürstenkollegiums, das für die Auswahl des neuen Grünkohlkönigs verantwortlich zeichnet, stammt aus Äthiopien und ist mit einem Teint gesegnet, der ihn nach seinen eigenen Worten eher als „Schwarzkohlkönig“ auszeichnen würde – und er spricht auch noch reinstes Plattdeutsch. Um Längen besser jedenfalls als Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerd Schwandner, der sich in seiner voraussichtlich letzten Eröffnungsrede als Stadtoberhaupt aber noch mal richtig Mühe gab, das plattdeutsche Idiom zu treffen.
Schwandner zog ein Resümee der Regentschaft des vorherigen Grünkohlkönigs Peter Altmaier, der sich als Glücksgriff erwiesen habe. Bei seinem obligatorischen Besuch in Oldenburg habe Altmaier alles mitgebracht, was die Stadtväter interessiere, „Bedeutung, Macht, Beziehungen.“ Die einzige, kleine Kritik, die Schwandner an die Adresse des scheidenden Kohlkönigs richtete, galt dem „Twitterkönig“. Altmaier halte seine mittlerweile 55.000 Follower auf Twitter zwar mehrfach täglich auf dem Laufenden – ausgerechnet über Oldenburg aber habe er sich ausgeschwiegen. Da hatte der Oberbürgermeister aber noch nicht gelesen, was der Kanzleramtsminister kurz vor seinem Auftritt beim Grünkohlessen gepostet hatte: Leider müsse er jetzt seinen Titel als Grünkohlkönig abgeben, Schlussfolgerung – „Erbmonarchie ist doch besser!“ Der Königstitel, so Altmaier dann auch bei seiner Rede beim Grünkohlessen, sei „das Beste, was mir je passiert ist.“
Mit Superlativen hatte zu Beginn des Abends auch schon der Schirmherr der Veranstaltung, Ministerpräsident Stephan Weil, das Publikum erfreut: Unter Anspielung auf die kurz zuvor beendeten Berliner Filmfestspiele machte Weil im Publikum wenigstens 30 Männer aus, „die so aussehen wie George Clooney.“ Und auch für den Oldenburger Oberbürgermeister fand Weil nur lobende Worte und schaffte es, damit einen fast minutenlangen Sonderbeifall auszulösen.
Bei allen Reden wurde aber das Wesentliche nicht vergessen: das „defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“, in der Mehrzahl natürlich mit Schweinefleisch. Die gewagte Grünkohlkombination mit Lachs war ja auch nur für den neuen Sultan vorgesehen.