„Das transatlantische Freihandelsabkommen“ – Gewinn für wenige oder Wohlstand für alle?
MP Stephan Weil: Wettbewerb muss fair sein Rund 200 Besucher waren am…

MP Stephan Weil: Wettbewerb muss fair sein
- Ministerpräsident Stephan Weil bei seinem Impulsreferat: TTIP- Gewinn für wenige oder Wohlstand für alle?
- Diskussion in großer Runde, das Wort hat Staatssekretär Michael Rüter
- Hartmut Meine stellt die Sichtweise der IG Metall Niedersachsen/Sachsen-Anhalt dar
- Dr. Thomas Steg (Volkswagen AG) sieht Risiken und Chancen
- Dr. Harald Klimenta (attac) formulierte klare Sätze aus Sicht seiner Organisation
- Werner Hilse vom Niedersächsischen Landvolk war gefragter Diskussionspartner
- Staatssekretär Michael Rüter bei einem Diskussionsbeitrag
- Die Veranstaltung zum Freihandelsabkommen stieß auf großes Interesse – das Thema liegt in der Luft
- Ministerpräsident Stephan Weil und Hartmut Meine zu Beginn der Veranstaltung
- Dr. Michael Kühn (ARD) bezog Position aus Sicht der Medien
- Die Dame in rot ist die Moderatorin: Ute Welty
- Werner Hilse und Dr. Harald Klimenta werden an der Podiumsdiskussion teilnehmen
- Freute sich über ein volles Haus bei einem politischen Thema: Hausherr Michael Rüter begrüßt
Rund 200 Besucher waren am 20. Februar in die Niedersächsische Landesvertretung gekommen, um sich über die Verhandlungen zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen, kurz TTIP, zu informieren. Deutliche Worte stellte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil an den Beginn seines Impulsreferats: „Wir reden über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, der unmittelbaren Wettbewerb schafft. Wettbewerb aber muss fair sein. Wir brauchen das Vertrauen, dass beide Seiten es ernst meinen mit dieser Fairness.“ Völlig inakzeptabel sei es deshalb, dass die NSA millionenfach Daten sammele, Industrieunternehmen und selbst die Kanzlerin ausspioniere.
Das TTIP habe das Potential, ein Jahrhundertprojekt zu werden, so Stephan Weil weiter. Als Abkommen zwischen Partnern mit hohen Standards und weit entwickelten Rechtssystemen biete es die Chance, ambitionierte Benchmarks im internationalen Handel zu setzen. TTIP würde 45% der weltweiten Wirtschaftsleistung, ein Drittel des Güterhandels, zwei Fünftel des Dienstleistungshandels einbinden, also einen Kernbereich der Weltwirtschaft. Er sei dennoch nicht blind und von Euphorie weit entfernt, so Weil, denn es gebe auch Risiken: so z.B. ganz erhebliche Unterschiede im Verbraucherschutz, den Umweltstandards, der Arbeits- und Sozialordnung. Diese verbrieften Rechte der Europäer dürften nicht aufgegeben werden. Entscheidend sei aber, die Verhandlungen transparent zu führen. Der diesbezüglich gute Wille der Europäischen Kommission werde glaubhaft beteuert, korrespondiere aber nicht mit dem eigenen Eindruck. Stephan Weil gab abschließend eine, wie er sagte, „typisch sozialdemokratische“ Empfehlung: sich auf die Verhandlungen einlassen, aber immer wieder kontrollieren, ob man Potentiale erschließt oder gerade Risiken wahr macht.
Und dies ist die Essenz aus der anschließenden Podiumsdiskussion:
Dr. Thomas Steg, Konzernbevollmächtigter der Volkswagen AG: Ein bloßes Zollsenkungsabkommen wäre nachteilig für Deutschland. Man müsse schon schaffen, zukünftige Standards gemeinsam zu entwickeln – z.B. den Stecker für Elektroautos – oder aber das Abkommen sein lassen. Zu bedenken sei: Wenn Europa nicht mit den USA abschließt, werden die USA ein „transpazifisches“ Abkommen mit China, Japan und Korea schließen. Europa wäre abgehängt. Und hätte die Chance verpasst, in den USA einen Lernprozess zu Arbeitnehmerrechten auszulösen.
Werner Hilse, Präsident des Niedersächsischen Landvolkverbands: Zu unterschiedlich seien schon die Ernährungsgewohnheiten, die Vorstellungen von Risikovorsorge und Transparenz, bei Klontieren, GVO, der Behandlung von Nahrungsmitteln. Die Rückzugslinie in den Verhandlungen müsse sein, dem europäischen Verbraucher die Wahlfreiheit zu lassen. Viele Vorteile für den Agrarsektor sah Hilse nicht: Deutschland importiere aus den USA Rohstoffe wie Mais und Soja, exportiere in die USA vor allem hoch verarbeitete Produkte wie Wein und Käse, treffe damit dort aber auf enorme Schwierigkeiten. Selbst wenn sich diese Exporte in die USA verdoppeln ließen, wäre dies unerheblich im Vergleich zum Handel mit anderen Regionen.
Dr. Michael Kühn, Bevollmächtigter des ARD-Vorsitzes: Medien seien keine „Chlorhühnchen“, keine Handelsware, sondern hätten eine Vermittlungsfunktion zwischen Staat und Bürger. Dies sehen die Amerikaner anders, hier gibt es einen „kulturellen Unterschied“. „Audiovisuelle Medien“ seien zwar aus dem Mandat ausgeschlossen, mit Sorge sah Kühn aber, dass jetzt philosophiert wird, was darunter zu verstehen ist. Jede Einbeziehung der digitalen Wirtschaft in das Abkommen bedeute eine Stärkung Amerikas. Regulierungsziel müsse deshalb sein, die Meinungsvielfalt festzuschreiben.
Helmut Meine, IG-Metall-Bevollmächtigter Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: Das Abkommen müsse faire Bedingungen, also gemeinsame Spielregeln in den Arbeitnehmerrechten schaffen. Die USA hätten nur zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Die Verhandlungen sollten so transparent geführt werden wie Tarifverhandlungen: dort zumindest kenne man die Verhandlungsführer und Ausgangspositionen. Bezeichnend für die Angst vor Transparenz sei, dass den Interessenvertretern, die die Europäische Kommission beraten sollen, bei ihrem ersten Treffen gesagt wurde, worüber sie nicht reden dürfen.
Harald Klimenta, Mitglied von „attac“: TTIP müsse weg! Die Wohlfahrtseffekte, die ausgerechnet wurden, seien spekulativ, jede Zinsentscheidung der EZB habe größeren Einfluss. Zudem dürfe man Wohlstand nicht nur über das Kriterium „Bruttosozialprodukt“ definieren, sondern müsse andere Kriterien einbeziehen: z.B. die Treibhausgasemissionen, die zusätzlicher Fernhandel verursacht. Es fehle die gesamte Dimension der Umweltstandards. „Kulturelle Unterschiede“ hätten ihre Berechtigung, durch sie verursachte Kosten sind von den Unternehmen zu tragen.