Faires Verfahren beginnt mit Unterrichtung über Rechte
Rechte von Kindern in Strafverfahren unionsweit sichern und stärken Die Rechte verdächtiger…

Rechte von Kindern in Strafverfahren unionsweit sichern und stärken
Die Rechte verdächtiger und beschuldigter Kinder – gemeint sind unter 18-Jährige – in Strafverfahren sollen EU-weit gestärkt werden. Dazu schlagen das Europäische Parlament und der Rat in einem Richtlinienentwurf vor, Mindeststandards für Verfahren festzulegen. Dadurch soll auch das gegenseitige Vertrauen und damit die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen gefördert werden. Kinder im Besonderen sollen in die Lage versetzt werden, Bedeutung und Ablauf eines Strafverfahrens zu verstehen und ihre Rechte geltend zu machen. Es ist ein Anliegen des Stockholmer Programms von 2009, den Bürgern das Vertrauen zu vermitteln, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Rechte schützen und gewährleisten.
Ein faires Verfahren für Kinder soll deshalb mit der Belehrung und Unterrichtung über die ihnen zustehenden Rechte beginnen. Kernstück des Vorschlags ist das unabdingbare Recht des Kindes auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in jedem Stadium eines jeden Verfahrens. Darüber hinaus sollen Vernehmungen grundsätzlich audiovisuell aufgezeichnet werden und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden sowie Gefängnisbedienstete, die für Kinder zuständig sind, besonders geschult sein.
Im Falle eines Freiheitsentzuges soll zum einen der Zugang zu einer medizinischen Untersuchung gewährleistet sein. Zum anderen soll der Elternkontakt sowie eine geeignete Erziehung und Ausbildung sicher gestellt werden. Ebenso verpflichtend sollen eine besonders zügige Bearbeitung, Schutz der Privatsphäre sowie das Recht auf persönliche Anwesenheit in der Verhandlung sein.
Eine Vielzahl der vorgeschlagenen Handlungsweisen ist im deutschen Strafrecht bereits Standard. Kinder bzw. Jugendliche werden nach geltendem Recht umfassend belehrt und sind in Verfahren anwesenheitsberechtigt, was auch für die Erziehungsberechtigten gilt. Die Jugendgerichtshilfe wird zur Begutachtung eingeschaltet und in Niedersachsen gibt es z.B. Vereinbarungen mit der Polizei, dass bei Jugendstrafverfahren stets fachlich besonders geschulte Jugendsachbearbeiter eingesetzt werden. Das Jugendstrafverfahren unterliegt dem Beschleunigungsgebot und die Strafverfahren für Jugendliche sind nicht öffentlich. Sie und ihre Erziehungsberechtigten haben nach geltendem deutschem Recht einen Anspruch auf persönliche Anwesenheit.
Dennoch hat der Bundesrat mit der Unterstützung Niedersachsens in seiner Stellungnahme verschiedene inhaltliche Bedenken gegen einzelne Vorschläge beschlossen, weil sie in ihrer Unabdingbarkeit im Einzelfall zu weit gingen oder gar sich zum Nachteil einer betroffenen Person auswirken könnten. Das betrifft u.a. die unverzichtbare Hinzuziehung eines Verteidigers. Seine Bestellung könne das Verfahren im Einzelfall unnötig verzögern, obgleich die Beschleunigung gerade ein wesentlicher Bestandteil der Erziehungswirkung des deutschen Jugendstrafrechts ist. Schließlich sei nicht ausgeschlossen, dass das Kind oder die erziehungsberechtigte Person die Kosten für einen Verteidiger tragen muss, obgleich der Betroffene wegen der Geringfügigkeit der Straftat oder aus anderen Gründen gar keinen Rechtsbeistand gewünscht hätte. Auch eine audiovisuelle Aufzeichnung der Vernehmung von Kindern sei nicht immer zwingend im Interesse der Betroffenen, allein schon wegen der Sicherstellung der Daten.
Der Bundesrat ist zudem der Meinung, dass sich weniger Pauschalität der vorgesehenen Regelungen für unter 18-Jährige im Strafverfahren durchaus vorteilhafter auswirken könne. Deshalb solle die Richtlinie die Möglichkeit einer Abwägung im Einzelfall zulassen. Regelungen der Aus- bzw. Fortbildung Bediensteter von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden sowie Gefängnisbediensteter müssten mangels Zuständigkeit der Union allerdings ganz entfallen.